Fahrbericht: KTM 990 Duke
Spitzenmodell unter den KTM-Nakedbikes war bislang die 890 Duke R. Nach nur zwei Jahren Bauzeit wird sie von der neuen 990 Duke abgelöst. Die schlägt auch optisch ein neues Duke-Kapitel auf.
Inhaltsverzeichnis
SP-X/Almeria. In den 30 Jahren, die es nun die unverkleideten Duke-Baureihe aus Mattighofen/Oberösterreich gibt, hat sich viel verändert: Aus einem einzigen Modell, der 620 Duke, wurde ein ganzer Modellbaukasten mit drei verschiedenen Motortypen und Hubräumen. Ungefähr in der Mitte war bislang die 890 Duke platziert, flankiert von der etwas sportlicher ausgelegten 890 Duke R. Beide Versionen werden für 2024 ausrangiert und durch die 990 Duke ersetzt. Sowohl der Motor wie auch der Rahmen der 14.500 Euro (Schweiz CHF 14’490) teuren Maschine sind neu, dazu kommt eine wesentlich kantigere Optik mit einer in ihrer Art noch nie gesehenen Frontmaske.
Kurvenreiche Strecken gehen leicht wie selten von der Hand
Wer mit dem neuen, ohne Streuscheibe auskommenden Scheinwerfer mit rautenartigem Tagfahrlicht nicht klarkommt, wird kaum jemals eine KTM 990 Duke fahren. So nachvollziehbar die Ablehnung des extrem aggressiven Designs der 990er auch ist, so bedauerlich wäre es, diese enorm handliche und leistungsfähige KTM nicht zu fahren. Kurvenreiche Strecken gehen, selbst wenn sie mit Haarnadeln gespickt sind, leicht wie selten von der Hand. Die exzellente Fahrzeugbeherrschung wird durch die füllige Motorcharakteristik bestens unterstützt, denn der nun exakt 947 Kubikzentimeter große Zweizylinder-Reihenmotor liefert hervorragende Drehmomentwerte im mittleren Drehzahlbereich. Die Spitzenleistung von 90,4 kW/123 PS überzeugt.
Zur sehr breiten Leistungsabgabe – bestens nutzbar ist der Bereich zwischen 2.500 und 10.000 Umdrehungen – und der ausgeprägten Drehfreudigkeit des sehr kompakt bauenden Twins gesellt sich ein fein abgestimmtes Fahrwerk; in weiten Bereichen ist es zudem individualisierbar. Motor und Fahrwerk zusammen sind verantwortlich für höchstes Fahrvergnügen auf kurvenreichen Land- und Bergstraßen, und zwar unabhängig davon, ob man beispielsweise zwischen etwa 50 und 120 km/h die Gänge Zwei bis Vier nutzt oder alles in der dritten Gangstufe zurücklegt. Nie stören bösartige Vibrationen, nie begehrt das Triebwerk gegen solche Belastungen auf. Im Zusammenspiel mit der leistungsfähigen Dreischeibenbremsanlage ist der Fahrer stets Herr der Strecke.
Stahlrohre, geschmiedete Teilen und Alu-Druckguss
Völlig neu zeigt sich der Rahmen der 990er, denn statt des bei KTM sehr gebräuchlichen Gitterrohrrahmens kommt nun ein Mix aus Stahlrohren, geschmiedeten Teilen und Alu-Druckguss zum Einsatz; auch der Motor trägt zur Stabilität bei. Gewichtssparend wirkt sich aus, dass Luftfilter und Lufteinlässe in den Aludruckguss-Ausleger integriert und unter der Sitzbank angeordnet sind. Die Schwinge ist ebenfalls ein Gussteil, im Gegensatz zur teuren 1390 Super Duke aber nicht als Einarmschwinge, sondern als Zweiarmschwinge ausgeführt. Mit mehr Flex als zuvor soll gegenüber der zuvor genutzten Schwinge die Schlagabsorption und die Effektivität des schräg, aber mittig monierten Zentralfederbeins verbessert werden.
43-er APEX-Gabel: Druck- und Zugstufendämpfung mittels Split-Technologie
Genauso gut in Form zeigt sich die von der KTM-Tochterfirma WP zugelieferte 43-er APEX-Gabel, die individuelle Korrekturen von Druck- und Zugstufendämpfung mittels Split-Technologie in separaten Gabelholmen ermöglicht. Jeweils fünf Klicks stehen zur Verfügung; Werkzeug braucht man dafür nicht. Vorne wie hinten reichen Federwege und Abstimmung gut aus für straffes, aber keineswegs unkomfortables Fahrverhalten. Das gasdruckunterstützte Federbein ist so ausgelegt, dass die Zugstufe in fünf Klicks verändert werden kann; die Federvorspannung muss manuell vorgenommen werden.
Eine formidable „Kurvenfräse“
Während es an der Unterbringung des Fahrers und der dafür bereitgestellten Ergonomie nichts zu kritteln gibt, sind wir von den Qualitäten des Soziusplatzes trotz des „komfortableren Kniewinkels“ nicht so recht überzeugt: Haltegriffe gibt es nicht, zudem thront der Sozius deutlich erhöht. Aber konzeptionell ist die 990 Duke als formidable „Kurvenfräse“ ohnehin nicht wirklich ideal für die Passagiermitnahme.
Elektronikausstattung auf hohem Niveau
Auf hohem Niveau befindet sich die Elektronikausstattung: Drei Fahrmodi – Street, Sport und Rain – sind immer an Bord, zwei weitere – Track und Launch Control – können nach dem Fahrzeugkauf nur kurze Zeit kostenlos ausprobiert werden. Die dauerhafte Nutzung kostet zusätzlich. Ebenfalls Aufpreis kostet die dauernde Nutzung des Zweirichtungs-Quickshifter. Das 5-Zoll-TFT–Display ist bestens strukturiert, klar gezeichnet, kontrastreich und vielfältig; es ist alles drin von Info über Einstellmöglichkeiten bis hin zur umfänglichen Smartphone-Einbindung. Zudem ist die Bedienung leicht erlernbar.
Fazit
Viel Lob also für ein mit rund 14.500 Euro nicht billiges, aber angesichts seiner Qualitäten auch nicht wirklich teures Motorrad. Um Freude an der KTM 990 Duke zu haben, muss man sie aber auch mögen, und das fällt ausweislich so mancher Kommentare an der Tankstelle oder aus dem Bekanntenkreis nicht jedem leicht. Die Frontmaske mit dem merkwürdigen Scheinwerfer samt rautenartigem Tagfahrlicht ist eine Sache, die nicht jeder packt. Wer damit leben kann, findet in der KTM 990 Duke eine Fahrmaschine der Extraklasse, die keinem Vergleich aus dem Weg gehen muss.
Dieser Beitrag stammt von Ulf Böhringer, Redakteur für das Redaktionsbüro SPS Spotpress Services GmbH
Technische Daten KTM 990 Duke
Motor: Flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder-Reihenmotor, 947 ccm Hubraum, vier Ventile pro Zylinder, DOHC, 90,4 kW/123 PS bei 9.500 U/min., 103 Nm bei 6.750 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kette
Fahrwerk: Stahl-Brückenrahmen mit angeschraubtem Aludruckguss-Heckrahmen, Motor mittragend, 4,3 cm ø USD-Telegabel vorne, Zug- und Druckstufendämpfung fünffach einstellbar, 14 cm Federweg; Aluminiumguss-Schwinge hinten, Druckstufendämpfung und Vorspannung einstellbar, 15 cm Federweg; Aluminiumgussräder; Reifen Bridgestone S22 vorne 120/70 ZR 17, hinten 180/55 ZR 17; 30 cm ø Doppelscheibenbremse vorne, 24 cm ø Einscheibenbremse hinten
Assistenzsysteme: Drei Fahrmodi (Rain, Street, Sport, zwei weitere a.W.), regelbare Traktionskontrolle, regelbares ABS inkl. Supermoto-ABS (beides schräglagentauglich), Zweiwege-Quickshifter a. W.
Maße, Gewichte und Verbrauch: Radstand 1,476 m, Sitzhöhe 82,5 cm, Gewicht fahrfertig 190 kg, Bodenfreiheit 19,5 cm. Tankinhalt 14,8 l, Normverbrauch 4,7 l/100 km
Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit über 200 km/h
Farben: Electronic Orange, Schwarzmetallic;
Preis: ab 14.490 Euro (Schweiz CHF 14’490)