Fahrbericht: Peugeot XP400
Lesezeit 4 Min. Unter dem Begriff „Crossover“ versteht man Modelle, die verschiedene Stile miteinander verbinden und zu etwas Neuem vereinen. Peugeot nimmt sich in diesem Fall Roller und Enduro zur Hand, um diese Fusion umzusetzen. Das Ergebnis birgt sowohl Vor- als auch Nachteile.
SP-X/Malaga. Zweiradhersteller Peugeot bringt mit dem XP400 das erste europäische Crossover-Modell und überträgt damit den automobilen Trend zum SUV ins Rollerreich. Schon im letzten November auf der EICMA vorgestellt, kreuzen die Franzosen mit ihrem ersten Großroller seit langer Zeit die Technikbasis eines Mittelklasse-Scooters mit der Optik eines geländegängigen Zweirads. Abgesehen vom Antrieb, der dem Dreiradler Metropolis entstammt, ist der knapp 8.000 Euro (Schweiz CHF 8’695) teure XP400 eine komplette Neukonstruktion mit unzähligen speziell für den Crossover konzipierten Komponenten und Detaillösungen.
Front mit angedeuteten Enduro-Schnabel
Dabei ist es eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob einem die extrem kantigen Kunststoffteile und die sehr luftige Silhouette mit dem kupierten Heck zusagen. Polarisieren dürfte auch die Front mit dem angedeuteten Enduro-Schnabel unter der gewölbten Scheinwerferpartie, über der sich ein rauchgrau getöntes kurzes Windschild reckt.
Der Rollerproduzent ist seit 1. Februar in deutscher Hand
Die rundlichen Tagfahrlichter ähneln dem typischen Peugeot-Pkw-Stil, auch das Heck zeigt die drei markanten Peugeot-Krallen. Dabei hat der Rollerproduzent mit der Automobilmarke nicht mehr viel zu tun: Nachdem zuletzt der indische Mobilitätsgigant Mahindra die Mehrheit von Peugeot Motocycles hielt, befindet sich das Unternehmen seit 1. Februar in deutscher Hand und gehört dem Investitionsspezialisten Mutares.
Verwindungssteife Rahmenkonstruktion
Beim XP400 macht die verwindungssteife Rahmenkonstruktion den rollertypischen Durchstieg zunichte, somit muss zum Aufsteigen wie beim Motorrad das Bein übers hohe Heck geschwungen werden. Knackig straff begrüßt das Polster die Sitzpartie und bringt viel Stabilität über die Lehne zum Soziusplatz. Gut liegt die breite, von zwei hohen Lenkerböcken geführte Lenkstange in den Händen. Das bringt viel Geräumigkeit für den Oberkörper, während der knappe Abstand zwischen dem schmalen Trittbrett und der Sitzbank die Kniewinkel so gerade noch erträglich macht.
Einer der stärksten Mittelklasse-Antriebe
Wie in der gehobenen Mittelklasse mittlerweile üblich, verfügt der XP über einen zentralen Bedienknopf für Lenkschloss und Zündung, Tankdeckel und Sitzbankschloss besitzen eigene Tasten zur elektrischen Öffnung. Ein Druck auf den Anlasser erweckt die Kraftquelle zum Leben, mit 36 PS und 38 Newtonmeter Drehmoment ist der kurzhubige, 399-ccm-große Vierventil-Einzylinder nominell einer der stärksten Mittelklasse-Antriebe.
Neue Homologationsvorschriften
Dafür fällt die Startperformance ernüchternd aus – neue Homologationsvorschriften haben die Entwickler dazu gezwungen, den Antrieb im ersten Drehzahlviertel stärker an die Kandare zu nehmen. Nach der wenig spritzigen Anfahr-Vorstellung legt der Franzose durchzugsstark und nachdrücklich an Schub und Tempo zu.
Frei von Vibrationen
Tadellose Motormanieren wie die exakte Umsetzung von Gasgriffbefehlen und das Fehlen von Lastwechseln oder Vibrationen adeln ihn zum Feingeist, die im WMTC-Zyklus ermittelten 3,8 Durchschnittsliter auf 100 Kilometer sind voll akzeptabel.
Besondere Fahrdynamik
Eine echte Neuerung im Rollerbereich beschert dem XP eine besondere Fahrdynamik: Vorne rotiert ein großer Siebzehnzöller, wie er im Motorradbereich gang und gäbe ist. Hinten assistiert ein breiter 160er-Pneu, beide auf schicken Kreuzspeichenrädern aufgezogen – mit den grobstolligen Pirelli Scorpion Rally STR echte Hingucker.
Mächtige Upside-Down-Gabel
Vorn übernimmt eine mächtige Upside-Down-Gabel mit goldenen Standrohren die Radführung, hinten kommt eine richtig aufwändige Konstruktion zum Einsatz: Die Zweiarm-Triebsatzschwinge ist über ein u-förmiges Gestänge mit einer Querstrebe verbunden, die das hinter der rechten Seitenverkleidung verborgene Federbein beaufschlagt.
Außergewöhnliche Stabilität
Diese Bauweise verleiht dem Peugeot-SUV eine außergewöhnliche Stabilität bei Geradeaus- und Kurvenfahrt, ohne das Gefährt besonders störrisch zu machen. Obwohl der XP mit 231 Kilo deutlich weniger Speck auf den Rippen trägt als der Metropolis, verlangt Einlenken eine klare Hand und Wechselkurven benötigen etwas Körpereinsatz. Dann eilt der 400er selbst bei dynamischen Fahreinlagen neutral und mit hoher Präzision ums Eck.
Stoppvergnügen mit höchster Effizienz
Sportsfreunde genießen auch das famose Stoppvergnügen mit höchster Effizienz und ausgezeichneter Dosierbarkeit, das die radial angeschlagenen Vierkolbenzangen an den beiden 295-mm-Bremsscheiben vorn zu bieten haben. Den Fahrkomfort schreibt der Franzose dagegen ziemlich klein, denn die Gabel ist sehr straff abgestimmt und das hintere Federbein leitet Stöße unnachgiebig ans Rückgrat.
Vernetzter 5-Zoll-TFT-Farbbildschirm
Immerhin gewährt die knappe Scheibe zusammen mit serienmäßigen Handprotektoren einen angenehmen Windschutz. Im Cockpit prangt ein vernetzter 5-Zoll-TFT-Farbbildschirm, der eine Turn-by-Turn-Navigation ermöglicht, ein USB-Anschluss erlaubt das Anschließen oder Aufladen des Smartphones.
Zwei separate Staufächer
Unter der zweigeteilten Sitzbank befinden sich gleich zwei separate Staufächer, deren vorderes einen Demi-Jethelm aufnimmt. So viele ungewöhnliche Lösungen und die sehr manierliche Verarbeitung haben ihren Preis, der mit 7.985 Euro für die Allure-Einstiegsversion Sportsgeist im Duett mit einem Hang zur Individualität verlangt.
Peugeot XP400 – Technische Daten:
Motor: flüssigkeitsgekühlter Einzylinder, 399 ccm Hubraum, 26,5 kW/36 PS bei 8.150 U/min, 38,1 Nm bei 5.400 U/min; vier Ventile/Zylinder, ohc, Einspritzung, CVT-Automatik, Fliehkraft-Trockenkupplung, Riemen-Sekundärantrieb
Fahrwerk: Stahlrohrrahmen; 3,8 cm USD-Telegabel vorne (nicht einstellbar),14 cm Federweg; Triebsatz-Zweiarmschwinge hinten, ein Federbein (Vorspannung einstellbar), 14 cm Federweg; Kreuzspeichenräder; Reifen 110/70-17 (vorne) und 160/60-15 (hinten). 29,5 cm Zweischeibenbremse vorne, 24 cm Einscheibenbremse hinten
Assistenzsysteme: ABS, Traktionskontrolle
Maße und Gewichte: Radstand 1,545 m, Sitzhöhe 815 cm, Gewicht fahrfertig 231 kg, Zuladung 179 kg; Tankinhalt 13,5 l
Fahrleistungen und Verbrauch (Werksangaben): Höchstgeschwindigkeit 137 km/h, 3,8 l/100 km
Preis: 7.985 Euro (Schweiz ab CHF 8’695)