Oldtimerkauf: Besser mit Gutachten
Lesezeit 6 Min. Der Markt für klassische Autos boomt. Wer investieren möchte, sollte unbedingt auf ein Gutachten setzen – doch nicht alle Bewertungen sind gleich. Worauf es ankommt, sollte man wissen.
SP-X/Stuttgart. Oldtimer gelten als sichere Geldanlage. Auf Auktionen überbieten sich die Käufer, Sammler erzielen für ihre Schätze Rekordpreise. Im Mai 2022 bezahlte ein britischer Oldtimer-Händler sagenhafte 143 Millionen US-Dollar für ein Mercedes-Benz 300 SLR Uhlenhaut-Coupé und machte den Flügeltürer aus dem Jahr 1955 damit zum teuersten Auto aller Zeiten.
Von diesen Preisen können die meisten Oldtimerbesitzer nur träumen. Allerdings geht es den wenigsten darum, Höchstpreise zu erzielen. Vielmehr wollen sie alte Autos als Kulturgüter erhalten, sich an der Technik vergangener Zeiten erfreuen oder sich schlicht in ihre Jugend zurückversetzen.

In Deutschland sind rund 1,3 Millionen Autos zugelassen, die älter als 30 Jahre sind. Als sammelwürdig gelten aber eher die rund 800.000 Fahrzeuge mit H-Kennzeichen. Denn das bekommt man nur, wenn ein Pkw, Lkw, Omnibus oder Anhänger fahrtüchtig ist und weitestgehend dem „technischen Originalzustand“ entspricht.
Wer also ein altes Fahrzeug kaufen will, bekommt mit dem H-Kennzeichen eine minimale Sicherheit, dass sich der Wagen zumindest in einem einigermaßen vernünftigen Zustand befindet. Ob das Auto wie gefordert zur „Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes“ dient und damit ein Oldtimer-Kennzeichen verdient, entscheidet ein amtlich anerkannter Kfz-Sachverständiger. Danach werden die Kriterien des einmalig etwa 100 Euro teuren H-Kennzeichens bei jeder HU aufs Neue geprüft.
Allerdings ist hier viel Subjektivität im Spiel, weiß Konrad Deuschle. „Wie viele Steinschläge darf ein 30 Jahre altes Auto haben? Das ist nirgends festgeschrieben“, stellt der im Auftrag der GTÜ tätige Oldtimer-Sachverständige fest. „Ein Rennwagen hat ganz andere Gebrauchsspuren als ein Cabriolet. Und die Ladefläche eines Lkw darf nach 30 Jahren anders aussehen als die Motorhaube eines Pkw.“
Fakt ist: Die Zahl der Autos mit H-Kennzeichen sinkt. War das Oldtimer-Schild für Besitzer alter Fahrzeuge oft ein Mittel, um Kfz-Steuer zu sparen, so ändert sich das nun. Zwar verlangt das Finanzamt für ein Auto mit H-Kennzeichen pauschal nur 191,73 Euro pro Jahr. Viel weniger, als beispielsweise für einen hubraumstarken US-Schlitten aus den 60er-Jahren oder einen Oldtimer mit Dieselmotor.
Jetzt erreichen aber Autos die Altersgrenze zum Oldiestatus, die von der Abgasnorm so gut sind, dass sich das H-Kennzeichen möglicherweise nicht mehr lohnt. „Mit Euro 2 rechnet sich das H-Kennzeichen finanziell erst ab drei Litern Hubraum“, sagt Deuschle.
Trotzdem rät der Sachverständige nicht vom H-Schild ab. Denn es gibt meist die Sicherheit, dass ein Auto gepflegt wird. Deuschle spricht von den drei Phasen im Leben eines Fahrzeugs. In der Gebrauchsphase investieren die Besitzer noch in Wartung und Pflege. Ihr folge die Verbrauchsphase, in der ein Auto Werkstätten nur noch unregelmäßig sieht und nur die wirklich notwenigen Mängel repariert werden. Mit dem H-Kennzeichen startet die Liebhaberphase, in der sich der Zustand stabilisiert oder sogar verbessert.
Eine Garantie, ein hochwertiges Auto zu erstehen, haben Käufer mit einem H-Kennzeichen trotzdem nicht. Etwas aussagekräftiger sind spezielle Oldtimer-Gutachten, wie auch Deuschle sie erstellt. Rund 250 Euro kostet eine sogenannte Kurzbewertung. Auf drei bis vier Seiten zeigt sie einige Fotos des Fahrzeugs, nennt eine Note für den Zustand und weist einen Fahrzeugwert aus. In der Regel werden solche Minimal-Gutachten erstellt, damit die Versicherung das Fahrzeug einstuft. „Eine Kurzbewertung ist aber keine Grundlage, um den wirklichen Zustand eines Autos einzuschätzen“, warnt Deuschle.
Diese Erkenntnis gibt erst ein detailliertes Wertgutachten. Kosten: zwischen 500 und 750 Euro. Auf 30 und oder sogar mehr Seiten beschreibt es den Zustand jeder Baugruppe wie Motor/Antrieb oder Bremsen/Fahrwerk oder Fahrgastraum. „Der große Unterschied besteht darin, dass man hier die Schwachpunkte erkennt. Man kann genau nachvollziehen, wie der Sachverständige auf seinen Schätzwert kommt.“
Käufer sollten den Unterschied kennen. Denn auf den einschlägigen Verkaufsplattformen oder auf Oldtimer-Messen werden Autos häufig mit Zustandsnote und Hinweis auf ein Wertgutachten inseriert, obwohl nur ein Kurzgutachten vorliegt. „HU-Bericht, H-Kennzeichen oder Kurzgutachter ersetzen keine vernünftige Kaufberatung eines unabhängigen Sachverständigen“, stellt der Oldtimer-Experte klar.
Deuschle empfiehlt zudem, Autos vorher checken zu lassen. „Nichts ist schlimmer, als dem Käufer eines 20.000 Euro teuren Oldtimers sagen zu müssen, dass der Wagen nur 5.000 Euro wert ist.“ Auf Wunsch begleiten Fachleute der Prüforganisationen den Interessenten und schauen das Auto vor Ort an. Wenn kein langer Bericht geschrieben werden muss, gibt es die Expertise dann auch für deutlich weniger Geld.
Teurer hingegen wird’s bei Raritäten und wirklich hochpreisigen Fahrzeugen und wenn die Profis zusätzlich die Historie des Wagens untersuchen. Passen beispielsweise Motor und Fahrgestell zusammen? „Bei einem Porsche 2.7 RS muss ich mich schon mit der Frage befassen, ob vielleicht irgendwann jemand etwas zusammengemischt hat“, sagt Deuschle. Denn je teurer das Auto, desto höher die Gewinnspannen. Und desto lukrativer das Geschäft von Fälschern und Betrügern. Wie bei dem Unternehmer, der kürzlich zwei Ferrari aus den 1950ern und einen alten Maserati als Sicherheit in Zahlung nahm. Deuschle entlarvte die vermeintlich millionenschweren Sportwagen als billige Nachbauten – aus Argentinien.
Dieser Beitrag stammt von Hanno Boblenz, Redakteur für das Redaktionsbüro SPS Spotpress Services GmbH.