Marcus Breitschwerdt, Leiter Mercedes-Benz Classic: „Klassiker haben Zukunft“
Die Autowelt ist im Umbruch und die Stimmung in der Gesellschaft kritischer denn je. Was das für die Oldtimer-Szene bedeutet, haben wir den Mercedes-Benz Classic-Chef gefragt.
SP-X/St. Moritz/Schweiz. Der Verbrenner vor dem Aus und der Fahrer vielleicht bald nur noch Passagier – das Auto wandelt sich mehr denn je und mit ihm die Stimmung in der Gesellschaft. Ist das auch das Ende des Oldtimers, oder geht die Leidenschaft deshalb jetzt erst richtig los? Das fragen wir den Mercedes Classic-Chef Marcus Breitschwerdt.
Die Autowelt ist technisch im Umbruch und die Begeisterung für der deutschen liebstes Kind zumindest in Teilen der Gesellschaft merklich abgekühlt. Fürchten Sie, dass darunter auch die Oldtimer leiden werden und der Markt für Klassiker mittelfristig zusammenbricht?
Das Gegenteil wird der Fall sein! Klassiker haben eine große Zukunft. Denn zum einen wird es in Zeiten des Wandels viele geben, die am Vertrauten festhalten und Bewährtes bewahren wollen. Und zum anderen gibt es immer mehr Wohlstand auf der Welt. Wenn dieser Wohlstand und die Wertschätzung für herausragende Lösungen in Technologie und Design zusammentreffen, dann muss man sich um den Klassiker-Markt wenig Gedanken machen. Nicht umsonst hat unser Uhlenhaut-Coupé im letzten Jahr einen Verkaufserlös von 135 Millionen Euro erzielt und ist damit zum wertvollsten Auto aller Zeiten aufgestiegen. Solche Ereignisse ziehen zudem auch neue Zielgruppen an. Während die aktuelle Wirtschaftslage ausgesprochen fragil und volatil ist, sind Oldtimer vergleichsweise wertstabil und deshalb auch über die Motorliebe hinaus attraktive Investitionsobjekte.
Aber auch die Reichen sorgen sich ums Klima und das Bestreben um Nachhaltigkeit zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten. Wie passen rustikale Verbrenner in eine Welt voller Elektroautos?
Streng genommen gibt es nichts Nachhaltigeres als ein Auto, das über Jahrzehnte gefahren und von Generation zu Generation weitergereicht wird. Denn mit jedem Kilometer Laufleistung wird der von der Produktion eines Autos verursachte CO2-Anteil geringer. Außerdem werden Oldtimer nur selten im Alltag bewegt oder über weite Strecken gefahren und hinterlassen so per se einen kleineren CO2-Fußabdruck. Darüber hinaus sind E-Fuels ein gangbarer Weg, um Klassiker nachhaltiger zu bewegen.
Wenn Sie so optimistisch in die Zukunft der Oldtimer blicken, welche Fahrzeuge sollten Sammler dann jetzt kaufen?
Die ganz jungen und die ganz alten. Erstere, weil die wie zum Beispiel die letzten Generationen des Mercedes SL, der S- oder gar der C-Klasse erst ganz am Anfang ihrer Wertentwicklung stehen und obendrein auch noch ein hohes Maß an Alltagstauglichkeit mitbringen. Und letztere, weil insbesondere die Vorkriegs-Autos derzeit ein wenig unter dem Radar der Sammler sind. Bei den Besitzern findet gerade ein Generationswechsel statt und das Angebot übersteigt derzeit die Nachfrage. Für vergleichsweise kleine Beträge kann man deshalb faszinierende Technik erwerben. Und was solchen Autos an Alltagstauglichkeit fehlen mag, machen sie mit Reparaturfreundlichkeit wieder wett. Einen Schuppen, einen Werkzeugkasten und einen Freundeskreis mit etwas Freizeit – mehr braucht es nicht, für diese Faszination.
Benjamin Bessinger/SP-X