Fünf smarte Elektro-Vans
Lesezeit 5 Min. Während Pkw von Grund auf für den E-Antrieb konzipiert werden, sind Elektro-Transporter oft noch Kompromisslösungen. Doch das ändert sich – fünf Beispiele zeigen, wie.
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SP-X/Köln. Der erste Transporter der Neuzeit war noch so etwas wie eine Palette auf Rädern. Denn als der niederländische VW-Importeuer Ben Pon im Nachkriegseuropa auf die Idee vom „Buli“ kam, hat er sich dafür vom so genannten Plattenwagen inspirieren lassen, mit dem sie in Wolfsburg Teile durchs Werk kutschiert haben. Hatten die VW-Werker damals nur eine Pritsche auf ein Käferchassis geschraubt, hat er einen Kasten daraus gemacht und so den T1 skizziert. Zwar ist der Motor später aus dem Heck noch in den Bug gewandert, doch ansonsten hat sich an der Konstruktion seit den 1950ern nicht viel geändert. Und zwar weder bei VW, noch bei den vielen Konkurrenten. Selbst der bislang noch vergleichsweise zaghafte Einzug des E-Antriebs hat das Prinzip nicht über den Haufen geworfen. Zumindest bislang nicht.
Doch so langsam setzt sich auch bei den Nutzfahrzeugentwicklern die Erkenntnis durch, dass elektrische Fahrzeuge nur dann ihre Vorteile ausspielen können, wenn sie explizit um den Antrieb herum entwickelt und deshalb auf eine so genannte Skateboard-Plattform gestellt werden. Was bei den Pkw mittlerweile fast überall Standard ist, setzt sich deshalb zunehmend auch bei den leichten Nutzfahrzeugen durch und immer mehr Anbieter kommen mit dezidierten E-Autos. Nur der Erfinder des Transporters hinkt da ein wenig hinterher, wie diese fünf Beispiele zeigen.
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Flexis: Gemeinsam gegen die Güterflut
Renault macht auf dem Weg in die elektrische Zukunft des leichten Nutzfahrzeugs gemeinsame Sache mit Volvo: Die beiden haben das Joint Venture Flexis gegründet und für nächstes Jahr drei Modelle auf einer gemeinsamen Plattform mit 800 Volt-Technik und Ladeleistungen von bis zu 220 kW angekündigt. Es soll einen Panel-Van geben, der den aktuellen Trafic ersetzt, einen Cargo Van mit zusätzlichen Aufbauoptionen und einen Step-in-Van, über den sich vor allem Paketzusteller freuen dürften. Denn die Einstiegshohe liegt – dem Skateboard sei Dank – bei gerade mal 51 Zentimetern und drinnen kann man aufrecht stehen.

Kia PBV5: Der Name ist Programm
Das Kürzel mag zwar ein wenig sperrig sein, aber es passt. Denn wenn Kia Ende des Jahres mit dem gerade vorgestellten PBV5 ins Geschäft mit leichten Nutzfahrzeugen für die Generation E einsteigt, dann tun sie das mit einem so genannten „Purpose Build Vehicle“, bei dem der Zweck alle Mittel heiligt. Es gibt einen skalierbaren Flachboden mit integriertem 800 Volt-Akku und E-Motoren und darauf unterschiedlichste Aufbauten in verschiedenen Größen für unterschiedliche Branchen, die dank des Skateboards alle eines gemein haben: Maximale Raumausnutzung ohne Kompromisse für Antriebskomponenten und einen bequemen Zugang für Mensch und Material. Los geht es mit einem Bus und einem Kastenwagen im Format des Ford Transit, dem aber bald noch ein kleiner PBV1 und ein großer PBV7 folgen sollen.

Flynt Vans: China ante portas
So zukunftsfest die Chinesen sonst auch sein mögen, haben selbst sie bei den elektrischen Transportern bislang eher belanglose Angebote gemacht. GAC, immerhin die weltweite Nummer 3 unter den Anbietern elektrifizierter Autos, will das mit einer eigenen Nutzfahrzeug-Plattform ändern und die neue Modellpalette zusammen mit dem Start-Up Flynt nach Europa bringen. Zwar gibt es bislang nur schemenhafte Fotos eines schnittigen Kastenwagens, der 2026 zu uns kommen soll, doch die Ankündigung lasst aufhorchen: Flynt will nicht weniger, als das Nutzfahrzeug neu zu erfinden, und verspricht deshalb Standards wie eine 800 Volt-Architektur, Laden mit mehr als 200 kW und Reichweiten von über 500 Kilometern. Zugleich stellen sie eine Konstruktion in Aussicht, die 28 Prozent mehr Raumeffizienz bietet und auch bei den Betriebskosten neue Standards setzt.

Mercedes Van.EA. Ein Sprinter auf dem Skateboard
Auch Mercedes stellt sein Nutzfahrzeugprogramm auf eine Skateboard-Plattform und macht dann weniger Kompromisse bei der Elektrifizierung. So, wie die Pkw-Sparte ihre kommenden Modelle rund um den CLA aus dem so genannten MMA-Baukasten entwickeln, gibt es für die Transporter-Sparte die Architektur Van.EA, die ebenfalls auch 800 Volt-Batterien und selbst entwickelte Motoren setzt und künftig alle gewerblichen Baureihen tragen soll. Zwar starten die Schwaben mit einer mehr denn je an den Pkw gerückten V-Klasse, die im Frühjahr als luxuriöse Studie in Shanghai steht und im nächsten Jahr nicht nur gegen ID.Buzz, sondern vor allem chinesische Luxusvans an den Start geht. Doch wird die gleiche Architektur auch den Nachfolger des Vito tragen und den nächsten Sprinter.

VW T7: Ganz neu und doch von gestern
VW als Erfinder zumindest des ersten europäischen Transporters der Neuzeit ist in dieser Liga noch nicht so recht angekommen. Zwar geht mit dem gerade vorgestellten T7 endlich auch eine E-Version an den Start, die nicht nachträglich von einem Zulieferer umgerüstet wurde. Doch erstens schmückt sich VW dafür mit fremden Lorbeeren, weil der neue VW Transporter streng genommen ein frisch geschminkter Ford Transit ist. Und zweitens nutzt er wieder nur eine Mischplattform, die noch aus der Verbrennerwelt kommt. Entsprechend wenig konkurrenzfähig sind die elektrischen Eckdaten von 331 Kilometern Reichweite und 125 kW-Ladeleistung. Doch so ganz kampflos überlassen die Niedersachsen der Konkurrenz nicht das Feld. Schließlich haben sie mit dem ID.Buzz Cargo ebenfalls ein Skateboard-Auto im Angebot. Dumm nur, dass der Retro-Bulli für Handel, Handwerk und Gewerbe erstens ein bisschen klein ist und dass er zweitens den MEB als Basis nimmt und damit schon wieder veraltet ist.
Dieser Beitrag stammt von Holger Holzer, Redakteur für das Redaktionsbüro SPS Spotpress Services GmbH.