Fahrbericht: Porsche 911 GTS
Lesezeit 3 Min. Jetzt hat es Porsche also doch getan – und tatsächlich den Elfer elektrifiziert. Denn mit dem Facelift zur Halbzeit gibt es neben der üblichen Schminke erstmals auch den neuen T-Hybrid. Der macht sich mit Macht bemerkbar. Nur nicht so, wie erwartet.
SP-X/Malaga/Spanien. Wasserkühlung, Doppelkupplung, ja sogar die Form der Blinker – seit 60 Jahren kommentiert die Porsche-Gemeinde jede noch so kleine Veränderung am 911 im Vorfeld mit fast aufrührerischer Entrüstung. Nur um danach das Podest für die Mutter aller Sportwagen dann noch höher zu bauen und wieder mehr Autos zu kaufen als zuvor. Doch diesmal wird die kompromisslose Zuneigung der eiligen Besserverdiener auf eine schwere Probe gestellt. Denn wenn die Schwaben jetzt mit dem internen Kürzel 992.2 zu Preisen ab 127.800 Euro das große Facelift für die aktuelle Generation des Sportwagens in den Handel bringen, gibt es nicht nur die übliche Schminke fürs Design, ein modernisiertes Ambiente, ein bisschen mehr Digitalisierung und keine mechanischen Instrumente mehr, eine neu konfigurierte Ausstattung und – so viel ist Porsche den Petrolheads schon schuldig – natürlich auch ein bisschen mehr Leistung. Mit dem so genannten T-Hybrid für den sportlichen Ableger GTS beginnt dann jetzt auch beim Elfer die Elektrifizierung. Los geht es da bei 170.600 Euro für das Coupé ohne und 178.800 Euro mit Allrad, 184.700 und 192.900 Euro für das entsprechend Cabrio oder den nur mit Allrad erhältlichen Targa.
Startknopf statt Zündschlüssel
Was für die einen eine Erleichterung sein mag und für die andren eine Ernüchterung, spürt man von dem elektrischen Eingriff in den Triebstrang– exakt gar nichts. Zumindest nicht so, wie man es erwarten würde. Denn wer den Elfer – neuerdings mit Startknopf statt Zündschlüssel – anlässt, der hört weiterhin einen Sechszylinder-Motor, der mit seinem von 3,0 auf 3,6 Liter vergrößerten Hubraum sogar noch ein bisschen bassiger kling. Und egal wie sanft man das Fahrpedal auch streichelt: Selbst auf Schleichfahrt geht der Sportwagen nicht elektrisch, sondern baut immer auf die Krafts eines Boxers.
Dramatisch verbesserte Performance
Was man dagegen sehr wohl spürt, das ist die noch einmal dramatisch verbesserte Performance. Klar, statt 480 stehen jetzt ja auch 541 PS im Fahrzeugschein. Aber selbst wenn man dem GTS schon bisher keine Trägheit unterstellen konnte und sich am Spitzentempo von 312 km/h nicht wirklich etwas ändert, explodiert der Wagen jetzt förmlich in Vortrieb: Auf dem Papier nimmt er dem Vorgänger beim Sprint in drei Sekunden von 0 auf 100 km/h vier Zehntel ab und in der Praxis fühlt es sich an, als wäre man bislang Polo gefahren statt Porsche, so gierig hängt der neue Elfer am Gas und so vehement wirft er sich mit seinen bis zu 610 Nm dem Horizont entgegen. Und weil das Leben nicht immer in geraden Bahnen verläuft, ist beim GTS jetzt für noch mehr Agilität auch die Hinterachslenkung Standard.
Elektrischer Boost
Für den elektrischen Boost treibt Porsche einen gewaltigen Aufwand. Sie schrauben deshalb nicht nur wie bei Cayman oder Panamera eine E-Maschine mit 41 kW/55 PS und 150 Nm ins achtstufige Doppelkupplungsgetriebe und klemmen eine besonders leichte und mit 1,9 kWh vergleichsweise kleine Batterie in den Bug, die – ebenfalls anders als bei den großen Baureihen – auch nicht an der Steckdose geladen werden kann. Sondern sie installieren zudem noch einen elektrischen Turbolader, der beim Anfahren sofort Druck macht und unter Last auch als Generator funktioniert, um den Akku möglichst schnell wieder zu füllen
Fit für die Euro7-Norm
So sehr sich dieses aufwändige Paket bei der Testfahrt bemerkbar macht, so wenig wirkt es an der Tankstelle. Sportlich gefahren, sollte der Hybrid zwar etwas sparsamer sein als der bisherige GTS. Aber auf dem Papier braucht er 10,5 Liter – genau wie der Vorgänger. Warum Porsche dann trotzdem den ganzen Aufwand treibt? Weil die Schwaben so zumindest mehr Power und Performance bieten ohne noch mehr schlechtes Gewissen. Und weil dieser Motor auch die Euro7-Norm schafft und den Petrolheads so eine Zukunft bietet.
Fazit
Ein elektrischer Elfer ohne E-Gefühl – das wird vielen nicht gefallen. Den einen, weil es ihnen nicht weit genug geht. Und den anderen, weil ihnen jeder E-Motor suspekt ist, der mehr antreibt als die Fensterkurbeln oder die Lüfter der Klimaanlage. Und weil sie das Wissen in Weissach, hat Porsche natürlich für beide Lager einen Trost. Den Puristen verkaufen die Schwaben ja auch nach dem Facelift noch das Grundmodell und später auch wieder Turbo & Co mit reinen Verbrennern. Den Fortschrittsgläubigen stellen sie für das nächste Jahr als Nachfolger des 718 den ersten elektrischen Sportwagen in Aussicht. Und bei der großen Masse vertrauen sie darauf, dass es so läuft wie es immer gelaufen ist bei den großen und kleinen Revolutionen in sechs Jahrzehnten Jahren 911-Geschichte. Die Liebe zum Elfer ist endlos. Und egal wie laut der Aufschrei auch sein mag, schlägt er spätestens nach der Jungfernfahrt bei den meisten doch wieder n Begeisterung um.
Dieser Beitrag stammt von Benjamin Bessinger, Redakteur für das Redaktionsbüro SPS Spotpress Services GmbH.