100 Jahre Rolls-Royce Phantom – Ikone auf Rädern
Lesezeit 10 Min. Der Name klingt flüchtig, doch kein anderes Auto verkörpert Beständigkeit so sehr wie der Rolls-Royce Phantom. Seit einem Jahrhundert steht er für Luxus, Eleganz und zeitlose Präsenz – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Zum Jubiläum lädt die britische Ikone zur stilvollen Ausfahrt.
Inhaltsverzeichnis
SP-X/Goodwood/München. Den Golf gibt es seit 1974, den Corolla schon seit 1966 und den Mercedes SL seit 1954. Doch bei allem Respekt sind das noch junge Hüpfer gegen den Rolls-Royce Phantom, der gerade seinen hundertsten Geburtstag feiert und so mit großem Abstand zum ältesten bis heute gebauten Auto der Welt avancieren dürfte.
Beständig wie der Buckingham Palace
Obwohl der Name etwas Ätherisches, fast Flüchtiges hat, erweist sich das Auto als mindestens so beständig wie Big Ben oder der Buckingham Palace. Und trotz der langen Bauzeit ähnlich exklusiv. Denn mehr als 15.000 Fahrzeuge, so die amtliche Schätzung aus Goodwood, dürften in diesen 100 Jahren kaum gebaut worden sein.
Charles Rolls und Henry Royce
Der Phantom ist zwar das am längsten gebaute Modell der Herren Charles Rolls und Henry Royce, aber nicht einmal das älteste. Denn deren Geschichte beginnt 1906 mit dem 40/50 H.P. Silver Ghost. Doch wurde den beiden Gründern schnell klar, dass sie Fortschritt brauchen, wenn sie die gerade erst eroberte Spitze des Automobilbaus verteidigen wollen.
1925 der erste Rolls-Royce Phantom
Statt den Silver Ghost weiter zu verfeinern, haben sie deshalb 1921 auf einem weißen Blatt neu angefangen, 1925 den ersten von mittlerweile acht Phantom präsentiert und damit den Grundstein für eine ebenso lange wie erfolgreiche Geschichte gelegt.
Praktisch jeder Rolls-Royce Phantom ist ein Einzelstück
Zwar wurde in den letzten 100 Jahren fast jeder Phantom mehr oder minder individualisiert und damit zum Einzelstück. Zumal die Herren Rolls und Royce anfangs ohnehin nur das Fahrgestell lieferten und die Gestaltung der Karosserie den individuellen Wünschen der Kunden und der Expertise unabhängiger Karosseriebauer überlassen haben.
Rolls-Royce Phantom 10 EX: Einer der ersten Concept Cars der Automobilgeschichte
Doch kaum einer ist so speziell, wie unser Testwagen für die Jubiläumsausfahrt. Nicht nur, weil er schon 99 Jahre alt ist. Sondern weil der 10 EX zu den ersten Concept Cars der Automobilgeschichte zählt. Statt der hoch aufragenden, fast staatstragenden Karosserie einer geschlissen geschlossenen Limousine rollt er als viersitziges Cabrio aus den heiligen Hallen.
Nach alter Kutschentradition mit Holzgestell und Blechverkleidung
Karosserier Barker hat ihn nach alter Kutschentradition mit Holzgestell und Blechverkleidung in ein Torpedo auf Rädern verwandelt und damit eine gewisse Lust auf Geschwindigkeit zum Ausdruck gebracht, die der Marke heute fremder ist denn je. Denn auch wenn Rolls-Royce mittlerweile Leistungswerte und Fahrdaten veröffentlicht und nicht mehr mit einem simplen „ausreichend“ ausweicht, machen die Briten nicht mit beim üblichen Wettrüsten im Oberhaus. Wer es in einen Rolls-Royce geschafft hat, der ist Herr seiner Zeit und muss sich von nichts und niemandem hetzen lassen.
Ein Ingenieursauto, auf Geschwindigkeit getrimmt
Beim 10EX war das noch anders. „Das ist ein Ingenieursauto, das auf Geschwindigkeit getrimmt war“, kann man in der Chronik nachlesen und lernt dabei, dass die Entwickler nicht nur eine bewegliche Kühlerjalousie eingebaut haben, wie sie bei modernen Autos erst seit ein paar Jahren üblich ist. Sondern für ihre Messfahrten haben sie sogar Kotflügel und Trittbleche abgeschraubt. Mit Erfolg. Zwar hat der 10EX die avisierten 100 Meilen pro Stunde nicht ganz geschafft. Aber 96 Meilen oder 155 Kilometer pro Stunde waren auch nicht schlecht für eine Zeit, in der Opel zum Beispiel gerade mit dem Laubfrosch Furore macht. Und der hatte anfangs 12 und später 20 PS und schaffte gerade mal 60 Sachen.
Seine Bedienung erfordert eine gewisse Routine
Damals auf dem Oval von Brooklands mögen sie es eilig gehabt haben. Doch heute lässt man es besser langsam angehen mit dem blank polierten Riesen. Nicht nur aus Respekt vor dem Alter und dem Wert irgendwo am oberen Ende der einstelligen Millionenskala. Sondern vor allem, weil seine Bedienung eine gewisse Routine erfordert. Schließlich muss man nach einer kurzen Einweisung in die Verbrennungslehre Gemischbildung und Zündzeitpunkt an den Lenkradrasten einstellen, damit der immerhin 110 PS starke Reihensechszylinder vom riesigen 7,7 Litern Hubraum erst mal zum Laufen kommt.
Kühlerfigur Spirit of Ecstasy
An den Motor kommt man, wenn man vor dem Öffnen der Blechklappen die ansonsten unnahbare Kühlerfigur Spirit of Ecstasy unsittlich beim Rumpfe packt und um 90 Grad dreht. Dann muss man das gemütliche Stampfen der doppelt gezündeten Zylinder auch noch in Vortrieb ummünzen und dafür irgendwie das synchronisierte Vierganggetriebe überlisten.
Mit Feingefühl und Zwischengas
Der erste Gang geht noch ganz leicht, weil er im Stand eingelegt wird. Doch danach braucht es viel Feingefühl im Spiel mit der doppelt zu nutzenden Kupplung, dem Zwischengas und dem irgendwo in der Kniekehle verborgenen Ganghebel, der für so ein riesiges Auto eine fast schon filigrane Gasse hat. Und kaum ist der Wagen mal in Fahrt, kommt auch schon die erste Kurve und lehrt einen, weshalb Autofahrer früher Kraftfahrer genannt wurden. Einen solchen Koloss mit einem riesigen Lenkrad vor der Brust ums Eck zu wuchten, das braucht Kräfte wie bei einem Eisenbieger. Und wenn man dann auch noch bremsen oder schalten muss oder im schlimmsten Fall beides zusammen, erfordert das die Konzentration und die Koordination eines Kardiologen bei der Operation am offenen Herzen.
Den Koloss auf Kurs halten
Schon möglich, dass die hohen Herrschaften hinten auf ihrem Lederfaulteil die Ausfahrt gelassen genießen könnten, wenn ihnen die Luft des nahenden Sommers sanft übers Haupthaar streift. Aber das Grinsen im Gesicht des Sozius sieht angesichts der Anstrengungen des Fahrers eher ein bisschen nach Spott und Schadenfreude, so sehr muss man sich am Steuer mühen um den Koloss auf Kurs zu halten. Kein Wunder, dass es einem hier schnell den Schweiß auf die Stirn und in den Stoff drückt. Nur gut, dass hier und heute keine Herrschaft in Sicht ist und auch keine Anzugspflicht herrscht.
Die Bedienungsanleitung ist handgeschrieben
Natürlich erst nach erfolgreichem Abschluss der Ausfahrt zieht Museums-Mechaniker und Emilys Altenpfleger Sepp Rothe die handgeschriebene Bedienungsanleitung aus dem Handschuhfach in der Trennwand zum Fond und zeigt nicht nur auf drei Seiten voller Tipps, wie man den ältesten Phantom im Fuhrpark anlässt und am Laufen hält. Mit einem breiten Grinsen zeigt er auch auf die letzte Seite, wo groß „Good Luck“ geschrieben steht. Das hat der Phantom bis heute ohne Zweifel gehabt. Der 10EX im Speziellen, weil er in seinen jetzt dann 99 Jahren eine weitere Fahrt mit einem Laien am Lenker unbeschadet überstanden hat.
Rolls-Royce Phantom: „Das Allerbeste vom Besten“
Und der Phantom im Allgemeinen, weil er allen Irrungen und Wirrungen zum Trotz jetzt schon seit 100 Jahren an der Spitze des Automobilbaus steht und von seinen Machern entsprechend wertgeschätzt wird. „Vor hundert Jahren brachte Rolls-Royce das erste Automobil auf den Markt, das zum eindrucksvollsten und langlebigsten seiner Geschichte werden sollte: Den Phantom,“ sagt Markenchef Chris Bronwridge: „Über acht Generationen hinweg war der Phantom das prächtigste, begehrenswerteste Automobil der Welt– das Allerbeste vom Besten.” Und wenn man den Gerüchten aus Goodwood Glauben schenkt, ist die neunte Generation bereits in Arbeit und das Auto mit dem vielleicht flüchtigsten Namen in der ganzen Branche unterstreicht einmal mehr seine Beständigkeit. Aber am Buckingham Palace würde ja auch niemand rütteln.
Häufig gestellte Fragen zum Rolls-Royce Phantom
- Wie alt ist der Rolls-Royce Phantom?
- Der Rolls-Royce Phantom feiert gerade seinen hundertsten Geburtstag und dürfte damit das älteste bis heute gebaute Auto der Welt sein.
- Wann wurde der erste Rolls-Royce Phantom vorgestellt?
- Der erste Rolls-Royce Phantom wurde 1925 präsentiert.
- Wie viele Rolls-Royce Phantom wurden in 100 Jahren gebaut?
- In 100 Jahren dürften kaum mehr als 15.000 Rolls-Royce Phantom gebaut worden sein.
- Was ist der Rolls-Royce Phantom 10 EX?
- Der Rolls-Royce Phantom 10 EX zählt zu den ersten Concept Cars der Automobilgeschichte und wurde als viersitziges Cabrio gebaut.
- Wie heißt die berühmte Kühlerfigur von Rolls-Royce?
- Die berühmte Kühlerfigur von Rolls-Royce ist die „Spirit of Ecstasy“.