Caravan-Salon in Düsseldorf: Im Wohnwagen nicht viel Neues
Lesezeit 3 Min. Angesichts sinkender Wohnwagen-Zulassungen setzen Hersteller vermehrt auf günstige Angebote statt auf innovative Neuheiten, um Käufer zu locken. Bürstner zeigt sich besonders optimistisch und blickt mit seiner Zukunftsstudie Trail nach vorn.
SP-X/Düsseldorf. Es ist ein schwieriges Geschäft mit den Wohnwagen. Während die Reisemobile auf dem besten Wege sind, in diesem Jahr ein neues Allzeithoch zu erreichen, dümpeln die deutschen Zulassungszahlen der Caravans vor sich hin. 14.957 Einheiten in den ersten sieben Monaten 2024 bedeuten ein Minus von 1,1 Prozent, das der Caravaning Industrie-Verband (CIVD) mit einem „stabilen Niveau“ interpretiert.
Seit Corona weniger Zulassungen
Tatsächlich aber geht es seit der Corona-Bestmarke von 2020 mit fast 30.000 Exemplaren jährlich kontinuierlich bergab auf zuletzt knapp 22.000 Neuzulassungen in 2023. Konkret heißt das: Per annum werden mehr als dreimal so viele Reisemobile verkauft als Wohnwagen. Und die motorisierten Eigenheime kosten zudem noch ein Mehrfaches im Vergleich zu ähnlich dimensionierten Freizeitlauben am Haken eines Pkw. Das ist nicht gerade eine beruhigende Geschäftsgrundlage für einen optimistischen Blick in die Zukunft. Oder?
Caravan-Salon in Düsseldorf
Der Caravan-Salon in Düsseldorf scheint auf den ersten Blick diese etwas getrübte Stimmung auch zu bestätigen. Gegenüber der Flut an Reisemobil-Premieren nehmen sich die Neuheiten bei den Wohnwagen äußerst bescheiden aus. Nachdem Pandemie, Lieferschwierigkeiten und Inflation die Preise in die Höhe getrieben haben, konzentriert sich die Branche darauf, mit einer günstigeren Preisgestaltung wieder die Kauflust zu stimulieren. Das geschieht in Form von Sondermodellen wie etwa dem Weinsberg Cara-One-Wohnwagen Hot-Edition, der bei 19.000 Euro Einstiegspreis eine Ersparnis bis zu fast 6000 Euro verspricht. Oder indem eine neue Baureihe wie der Tabbert Cazadora, der das Modell Da Vinci ablöst, mit ein paar Abstrichen deutlich günstiger angeboten wird.
Wenig Innovatives
So gibt es endlich auch den längst versprochenen neuen Bürstner Averso, wird der beliebte LMC Sassino aufgepeppt, erweitert Eriba die kultige Touring-Baureihe um einen 620er-Grundriss und überrascht Adria mit dem ultrakompakten Aviva Lite 300 LH mit nur drei Metern Aufbaulänge. Außer dem Einsatz von Hubbetten hier und da entdeckt man allerdings wenig Innovatives. Dethleffs verzichtet ganz auf Neuerungen, streicht dafür aber die Aero-Baureihe ersatzlos. Fendt betreibt nur behutsamen Feinschliff. Und Marktführer Hobby hat zumindest im Vorfeld nichts angekündigt.
LMC Modo: Der Do-it-Yourself-Wohnwagen
Immerhin gibt es ein interessantes Angebot für einen Do-it-Yourself-Wohnwagen: Der LMC Modo ist nichts anderes als ein einfacher Kofferanhänger der Marke Humbaur, der mit Möbelmodulen bestückt wird, die im Boden oder an den Wänden fixiert werden. Zur Grundausstattung für rund 20.000 Euro gehören aber nur die Sitzgruppen-Polster, das Bett und sechs Staukisten. Das Küchenmodul kostet extra. Eine Heizung gibt es gar nicht. Die Heckklappe dient als Einstieg. Gemütlich ist das eher nicht. Der schnelle Aus- und Einbau erlaubt jedoch die Doppelnutzung als Wohn- und Nutzanhänger.
Caravan-Studie Talis von Bürstner
Eine Ausnahme, die wenigstens etwas Optimismus versprüht und tatsächlich auch einen visionären Blick in die Zukunft des Wohnwagens wagt, gibt es allerdings doch: Bürstner präsentiert in Düsseldorf die Caravan-Studie Talis, die neue Maßstäbe im Bereich Lifestyle, Design und Flexibilität setzen soll und mit der das Vanlife-Gefühl, das bei den Reisemobilen ja einen regelrechten Boom bei den kompakten Camper-Vans hervorgerufen hat, in den Wohnwagenbereich transformiert werden soll.
Mit fischähnlicher Kontur
Die Außensilhouette entstand in Kooperation mit dem Rüsselsheimer Designbüro Studiosyn, das in der Vergangenheit auch schon für die Marken Hymer und Niesmann tätig war und Designpreise einheimste. Nach vielen Optimierungsdurchläufen im virtuellen Windkanal habe sich eine fischähnliche Kontur herauskristallisiert. Vorn wird die Luft durch eine konisch zugespitzte Form aerodynamisch geteilt, wobei die Mitte der Frontpartie auch als von außen zugänglicher Stauraum genutzt wird. Am Heck verjüngt sich die Form von den Seitenwänden her ebenfalls, was zu geringeren Verwirbelungen führen soll und damit auch den Verbrauch des Zugfahrzeugs reduziert. Schließlich werden Caravans in Zukunft zwangsläufig auch vermehrt von Elektrofahrzeugen gezogen.
Höchstmaß an Flexibilität
Um dem selbst vorgegebenen Motto „Klein reisen, groß wohnen“ gerecht zu werden, legt Bürstner besonderen Wert auf ein Höchstmaß an Flexibilität und setzt hier das selbst entwickelte und patentierte Air-Xtension System ein, das schon beim aufblasbaren Alkoven im teilintegrierten Lyseo TD Gallery für Furore gesorgt hat. Bei der Talis-Studie wird ein kleiner Erker an der Rückfront ausgeklappt und aufgeblasen. Dadurch verwandelt sich das fest eingebaute Heckbett in ein großzügiges 2,00×170-Meter-Längsbett verwandelt. Ohne Air-Xtension kann die Schlafstätte allerdings auch als Querbett genutzt werden.
Die Schlafhöhle
Der Raum unter dem Bett ist als „Schlafhöhle“ für maximal zwei Kinder ausgelegt, kindgerecht ausgekleidet und kann mit einem Vorhang abgetrennt werden. Natürlich steht er während der Fahrt alternativ als Stauraum zur Verfügung.
Transportables Küchenmodul
Die Möglichkeit, unterm freien Himmel kochen zu können, ist ein wichtiger Aspekt für das Vanlife-Feeling, weshalb Bürstner ein gasfreies, teilbares und transportables Küchenmodul mit zwei Induktionsplatten in den Talis einbaut. Es lässt sich zusammen mit der „Easy-Flex-Lounge“ – damit ist die herausnehmbare Sitzbank samt Tisch gemeint – auch im Außenbereich verwenden. An Stelle der gewohnten Dachschränke sind flexible Stauboxen montiert, die sich zum Packen oder Einkaufen leicht herausnehmen lassen.
Durchdachtes Innenleben der Wohnwagen-Studie
Flexibilität gilt schließlich auch für den Bad-/Toilettenraum. Er ist mit einer ökologischen Trenntoilette ohne Chemie ausgestattet, die nur bei Bedarf herausgeholt werden muss. Akkuleuchten, die überall im Fahrzeug positioniert werden können, und Akustikpaneel aus Holz an den Wänden für eine gedämpfte Geräuschentwicklung runden das durchdachte Innenleben der Wohnwagen-Studie ab.
Welche Details vielleicht schon bald konkret in die Entwicklung neuer Wohnwagen einfließen wird, muss die Zukunft zeigen. An Kompaktheit, Flexibilität und Leichtbau wird man allein im Hinblick auf die Elektromobilität aber kaum vorbeikommen.
Dieser Beitrag stammt von Michael Lennartz, Redakteur für das Redaktionsbüro SPS Spotpress Services GmbH.