70 Jahre Ford Taunus 12 M „Weltkugel“
Vor 70 Jahren hat Ford mit dem Taunus 12 M einen Kompaktwagen vorgestellt, der die Konkurrenz alt aussehen ließ. Das Design des Wagens fand schnell Nachahmer und war visionär für seine Zeit. Darüber hinaus konnte dieser Taunus auch mondänen Glamour bieten: Der chromglitzernde Weltkugel-Kühler avancierte zum Inbegriff des bezahlbaren Luxus.
SP-X/Köln. Sie sind die ewigen Rivalen im Rennen um die Führungsposition bei den Kompaktwagen. Ford und Volkswagen konkurrieren in dieser Disziplin seit Henry Ford II nach dem Zweiten Weltkrieg durch ein klares „No!“ das Angebot der alliierten Siegermächte zur Übernahme des kompletten deutschen Fahrzeugbaus ausschlug. Zu altertümlich wirkte auf den amerikanischen Konzernlenker bereits damals der Käfer. Stattdessen wollte Henry Ford II mit in Köln finalisierten Design-Meilensteinen wie dem 1952 eingeführten Taunus 12 M (G13) die deutsche Autolandschaft verjüngen und vorantreiben. Ein Vorhaben, das Ford überraschend erfolgreich gelang, denn die zukunftsweisende selbsttragende Karosserie mit moderner Pontonform war ein Paukenschlag.
Das Design der Kompaktwagen-Klasse
Zwar gab es bereits einige Ponton-Vorreiter wie Borgward Hansa und Fiat 1400, aber letztlich wurde das Design der Kompaktwagen-Klasse in Deutschland durch die erste Nachkriegsentwicklung vom Niehler Rheinufer geprägt. Dafür nutzten die Kölner internationale Assistenz: Ford-USA gab die Grundform vor, Ford-Frankreich realisierte Prototypen beim Karossier Chausson und Ford-Deutschland übernahm den Feinschliff. Zu diesen Finessen zählte auch das frische Logo mit den Buchstaben „F-K“ für Ford-Köln, das M für „Meisterstück“ in der Modellbezeichnung 12 M und eine markante Weltkugel oberhalb des chromglitzernden Grills. Ein Aufwand, der lohnte: Über ein Jahrzehnt blieb der stilprägende Taunus härtester Herausforderer von Opel Olympia/Rekord und VW Käfer. Und er setzte sogar Akzente im Premiumsegment mit Chrom und Cabrio.
Urlaubsfahrten wurden populär
Hurra, wir leben wieder: Vor 70 Jahren fanden die Deutschen zurück zu zaghaftem Wohlstand. Das neu eingeführte reguläre TV-Programm gönnten sich 1.000 stolze Besitzer eines exorbitant teuren Fernsehgeräts, alle anderen verfolgten die ersten staatstragenden Auftritte der jungen britischen Queen Elizabeth auf den Kinoleinwänden. Der bundesdeutsche Durchschnittsverdienst lag noch bei bescheidenen 400 Mark im Monat, aber Urlaubsfahrten wurden populär und die Verkehrsdichte nahm rasant zu. München legte 1952 sogar den ersten Zebrastreifen an, schwangen sich doch immer mehr Menschen vom Motorradsattel in Volkswagen Käfer oder Opel Olympia.
Viel Platz für fünf Passagiere und Gepäck
Zaghaft aktualisierte Vorkriegskonstruktionen, die plötzlich einen ultramodernen Konkurrenten erhielten: Den Ford Taunus 12 M in glattflächigen Formen, mit großen Fenstern, viel Platz für fünf Passagiere und Gepäck, mit vorderer Einzelradaufhängung und überraschend kleinen Rädern (13 Zoll statt sonst üblicher 15 oder 16 Zoll) zugunsten niedrigen Schwerpunkts und unproblematischer Fahreigenschaften. Auch die vordere Einzelradaufhängung war eine Innovation in der deutschen Mittelklasse. Klar, der 1,2-Liter-Motor war noch ein alter Bekannter aus den 1930ern, aber Ford bereitete bereits ein neues 1,5-Liter-Triebwerk vor, das drei Jahre später unter dem Typencode 15 M reüssierte.
Globaler Exporterfolg
So viel zukunftsweisende Technik aus der Domstadt, die er lange Zeit als Bürgermeister regiert hatte, veranlasste sogar Bundeskanzler Konrad Adenauer zu einem freundlichen Grusswort. Tatsächlich sorgte der Taunus 12 M nicht nur an den Fließbändern für Vollbeschäftigung, er avancierte auch zum globalen Exporterfolg, ganz wie es die Weltkugel am Kühler versprach. In Ländern wie Schweden setzte er sich gegen parallel verkaufte Ford made in England durch und punktete überdies gegen den Buckel-Volvo im Vorkriegs-Fastbackdesign.
Im Vergleich zum Volkswagen war der Taunus deutlich kostspieliger
Auf rauen Pisten in Afrika und Asien demonstrierte der Taunus Robustheit, und in Deutschland gewann er auch Fans im Flottenmanagement von Behörden und Hilfsdiensten. Sogar der ADAC-Pannendienst kaufte den progressiven Taunus als Alternative zum konventionellen Käfer. Im Vergleich zum Volkswagen war der Taunus deutlich kostspieliger, und als auch noch Opel die Preise für den altbackenen Olympia reduzierte, musste Ford einen Joker ziehen: Die mager ausgestattete und günstiger eingepreiste Sparvariante seines „Meisterstücks“, den Ford 12.
Pontondesign setzt sich durch
Letztlich jedoch blieben es die zweitürigen, knapp über vier Meter messenden „M“-Limousinen, mit denen Ford seine Fließbänder auslastete, ergänzt um einen variablen Combi, nutzwertige Kastenwagen, einen Pick-up sowie ein exklusives Cabriolet zu exaltierten Preisen, für die es bei Porsche bereits den legendären Typ 356 gab. Mit diesem breiten Portfolio konterten die Kölner die Produktoffensive der damaligen General-Motors-Tochtermarke Opel, die beim 1953 präsentierten Olympia Rekord plötzlich ebenfalls auf das Pontondesign setzte. Auch Mercedes ersetzte seine konservativen 170er Typen allmählich durch den neuen 180, natürlich in angesagter Pontonform. Prompt schoben sich die Stuttgarter in der deutschen Zulassungsstatistik vor den „neuen Stern am Autohimmel“, wie Werbetexter den Ford 12 M provokativ beschreiben.
Ford Taunus 12 M versus Mercedes 180?
Tatsächlich zielten beide Marken mit ihren Basisbaureihen auf dieselbe Klientel, nämlich die gutverdienenden Freiberufler und Gewerbetreibenden. Heute kaum zu glauben, aber 1952 konnten sich nur vier Prozent der Bevölkerung einen Neuwagen leisten, wie Ford in einer Pressekonferenz erklärte. Bei diesen Besserverdienenden war allerdings der Anteil derjenigen, die dann doch gleich einen Ponton-Mercedes (oder auch Opel Kapitän) fürs gesellschaftliche Prestige kauften statt des preiswerteren Ford oder VW, hoch.
Deutsches Wirtschaftswunder
Mitte der 1950er Jahre erreichte das durch Steuersenkungen für Industrie, Handel und Landwirtschaft beschleunigte „deutsche Wirtschaftswunder“ einen Höhepunkt, und modische Möbel im Nierenstil sowie amerikanische Lifestyle-Insignien à la Autos mit Chromglitter und Heckflossen waren gefragter denn je. Ford reagierte auf den Trend mit einem Facelift für den Taunus 12 M, dessen Kühlergrill nun ein „Dollargrinsen“ zeigte.
Wohnkomfort der Weltklasse
Dagegen sollte der optisch fast baugleiche, aber mit neuem 40 kW/55 PS starkem Vierzylinder vorfahrende 15 M die Wartezeit bis zum Debüt der Mittelklasse 17 M überbrücken und eine Alternative zu 1,5-Liter-Limousinen von Opel, Peugeot oder Borgward bieten. Innen boten die Taunus-Modelle weiterhin „Wohnkomfort der Weltklasse“, wie das Marketing erklärte, außen vermittelten nun neuartige bunte Metallic-Lacke auf Nitro-Zellulose-Basis einen Glanz, wie ihn sonst Straßenkreuzer auf dem Hollywood Boulevard zur Schau stellten.
Heute schreibt der Focus die Erfolgsstory der kompakten Ford weiter
So viel Vorsprung durch Design ermöglichte dem Ford eine überraschend große Modellkonstanz: Kein neues Kleid im Zwei-Jahres-Turnus wie bei Taunus-Konkurrenten, sondern eine elf Jahre währende Produktionszeit. Ab 1959 allerdings mit flacherem Dach, größerer Heckscheibe und filigranen C-Säulen und meist mit weißen Seitenstreifen als Premium-Attribut. Nach gut 600.000 Einheiten folgte 1962 der nächste Ford-Schritt: Der 12 M (P4) mit Frontantrieb, aber das ist eine neue Geschichte. Heute schreibt der Focus die Erfolgsstory der kompakten Ford fort, allerdings nicht mehr lange: Ein vollelektrischer Crossover macht sich bereits startklar, auf Basis der von VW gestellten MEB-Plattform. Ob Henry Ford II dazu „Yes!“ gesagt hätte?
Chronik Ford Taunus 12 M:
1934: Ford Deutschland wirbt mit seinem ersten „Volkswagen“, dem Typ Köln
1938: Erste Erprobungsfahrten mit Prototypen eines neuen Ford-Modells, das unter dem Code G93A (d.h. Germany, Jahr 1939, Hubraumklasse 3 bzw. 1,2-Liter, A = Pkw) entwickelt wird und in der Tradition der Ford-Volkswagen stehen soll
1939: Im Juni erlebt der Ford Taunus „Buckel“ mit 1,2-Liter-Vierzylinder seine Markteinführung
1948: Produktionsanlauf des sanft modifizierten Vorkriegs-Taunus
1949: Ford erzielt 10,1 Prozent Marktanteil in Deutschland. Entwicklungsstart für das Projekt 1, eine Ford-Baureihe mit Pontonkarosserie als Nachfolger für den „Buckel-Taunus“. Der Kölner Ford-Designchef Otto Huckenbeck ist gehalten, US-Designskizzen an den europäischen Geschmack anzupassen
1952: Anfang des Jahres Marktstart der ersten Nachkriegskonstruktion von Ford Köln, des Ford Taunus 12 M (G13) mit selbsttragender Karosserie in Pontonform (Design aus Amerika) zu Preisen ab 7.535 Mark. Die 12 im Namen steht für 1,2 Liter Hubraum, das M für „Meisterstück“, besonderes Merkmal ist die Weltkugel vorn auf der Motorhaube
1953: Preissenkung des Taunus 12 M Limousine auf 6.760 Mark. Vorstellung der Ford-Sparausführung „Taunus 12“ mit einfacher Ausstattung. Im Juni Produktionsanlauf des Taunus 12 M Kombi- und Kastenwagen. Bis 1955 liefert Karmann die dazu nötigen Aufbauten, dann übernehmen die Ford-Werke selbst die Fertigung. Kombi, Kastenwagen und Cabriolet (vom Karossier Deutsch) feiern auf der IAA im September Publikumspremiere. Schon im Juli liefert Ford das 50.000ste Exemplar des Weltkugel-Taunus aus
1954: Im Juli wird der 100.000ste Ford Taunus 12 M produziert. Im Dezember Modellpflege für den Taunus
1955: Der stärkere Ford Taunus 15 M (G4B) debütiert Anfang des Jahres mit einem 1,5-Liter-Benziner und mit Chromornamenten. Für den Taunus 15 M gibt es den ersten neu entwickelten Ford-Motor nach dem Krieg. Zu unterscheiden sind die Typen 12 M und 15 M nur am Kühlergrill: Die 12-M-Modelle erhalten einen Kühlergrill mit senkrechten Stäben, den 15 M kennzeichnet eine Kühleröffnung mit einer Querlamelle. Ab September gibt es den Taunus 15 M de Luxe in üppigerer Chrom-Optik. Vorübergehend ersetzt der 15 M Kombi den 12 M Kombi
1956: Nur noch 7,8 Prozent Marktanteil für Ford in Deutschland
1957: Neu ist die optionale automatische Kupplung Saxomat. Nach Protesten der Ford-Händler Wiedereinführung des 12 M Kombi im Januar, der nun parallel zum 15 M angeboten wird. Geringfügige optische Überarbeitung des Taunus zur IAA im September zum Modelljahr 1958. Taunus 12 M und 15 M haben jetzt beide denselben Kühlergrill, allerdings unterschiedliche Blinker. Der Taunus 12 M hat runde Blinker und der 15 M längliche Blinker
1958: Produktionsende für den 15 M nach Marktstart des größeren 17 M. Ford Deutschland baut erstmals über 100.000 Autos in einem Jahr, die Hälfte davon wird exportiert
1959: Ende August Einführung des Taunus 12 M mit neuem Grill, nun ohne die Weltkugel. Weiteres Kennzeichen des Facelifts ist der breite farblich abgesetzte Seitenstreifen. Den 12 M gibt es alternativ mit 1,2-Liter bzw. 1,5-Liter-Motor, die Bezeichnung 15 M entfällt
1960: Wieder über zehn Prozent Marktanteil in Deutschland
1962: Im Sommer Produktionsende der 12 M Modellreihe nach insgesamt 609.359 Einheiten (inklusive 15 M). Im September tritt die nächste Taunus-12-M-Generation (P4 „Cardinal“) die Nachfolge an. Der Taunus 12 M (P4) wird zum Überraschungserfolg, schon in den ersten vier Verkaufsmonaten werden 43.000 Einheiten abgesetzt. Insgesamt werden vom Ford P4 in vier Jahren 680.205 Einheiten verkauft, die Nachfolgetypen 12 M und 15 M (P6), kommen bis 1970 auf 668.187 Einheiten
1998: Weltpremiere des kompakten Ford Focus auf dem Genfer Automobilsalon
2001: Am Jahresende steht fest – der Ford Focus ist in diesem Jahr mit 917.000 Einheiten das meistverkaufte Auto der Welt
2012: In den Jahren 2012 bis 2014 erreicht der Ford Focus mit jeweils mehr als einer Million verkauften Exemplaren erneut den ersten Rang in den weltweiten Verkaufsstatistiken
2018: Der Ford Focus wird in der heute aktuellen vierten Generation eingeführt. Bislang wurden 16 Millionen Focus ausgeliefert
2021: Der Focus erhält sein letztes Facelift
2022: Der Ford Taunus 12 M „Weltkugel“ wird 70, ein Jubiläum, das die Fans der kompakten Mittelklasse bei Oldtimer-Events würdigen. Der Focus als moderner Nachfolger der Modelle Taunus 12 M/15 M soll bis 2024 auslaufen und durch ein elektrisches Crossover-Modell ersetzt werden, ein disruptiver Neuanfang, der ein wenig an die Einführung des Taunus 12 M (G13) erinnert
Motoren Ford Taunus 12 M/15 M (1952-1962):
Ford Taunus 12 M (1952-1959) mit 1,2-Liter-Vierzylinder-Benziner (28 kW/38 PS)
Ford Taunus 15 M (1955-1988) mit 1,5-Liter-Vierzylinder-Benziner (40 kW/55 PS)
Ford Taunus 12 M 1,2-Liter (1959-1962) mit 1,2-Liter-Vierzylinder-Benziner (28 kW/38 PS)
Ford Taunus 12 M 1,5-Liter (1959-1962) mit 1,5-Liter-Vierzylinder-Benziner (40 kW/55 PS).
Produktionszahlen Ford Taunus:
Ford Taunus 12 M insgesamt 395.635 Einheiten (1952-1962)
Ford Taunus 12 M Kombi insgesamt 25.960 Einheiten (1952-1962)
Ford Taunus 15 M und 12 M 1,5 Liter insgesamt 160.418 Einheiten (1954-1961)
Ford Taunus 15 M Kombi insgesamt 20.552 Einheiten (1954-1958)
Ford Taunus 12 M 1,5 Liter Kombi insgesamt 6.794 Einheiten (1959-1961)