Fahrbericht: BRP Can-Am Spyder / Ryker

Nach 15 Jahren Bauzeit hat der dreirädrige Can-Am Spyder einen bemerkenswerten Reifegrad erreicht. Jetzt gehen alle Modelle ohne große Veränderungen, aber mit Detailüberarbeitungen in die neue Saison.

SP-X/Nizza. Einige tausend Menschen in Europa entschließen sich alljährlich zum Kauf eines dreirädrigen Fahrzeugs, das so offen wie ein Motorrad, aber fast so breit wie ein Auto ist. Mit dem Can-Am Spyder wendet sich der Hersteller BRP (Bombardier Recreational Products) an jene Autofahrer, die mit dem Frischluftvergnügen eines Motorrads liebäugeln, aber keinen dafür erforderlichen Führerschein haben und ihn auch nicht erwerben wollen. Der Can-Am Spyder und auch sein jüngerer und kleinerer Bruder Ryker sind in jedem Falle großes Kino und bringen enormes Vergnügen auf die Strasse.

Einige tausend Menschen in Europa entschließen sich alljährlich zum Kauf eines dreirädrigen Fahrzeugs.
Einige tausend Menschen in Europa entschließen sich alljährlich zum Kauf eines dreirädrigen Fahrzeugs. Foto: BRP

1.330 ccm mit 86 kW/115 PS

Da diese höchst spezielle Art von Dreirad trotz der schon recht langen Marktpräsenz nicht gerade an jeder Ecke steht, sei eine kurze Erläuterung erlaubt: Die Can-Am Geschwister weisen zwei Vorderräder auf, die eine ähnliche Spurweite haben wie ein kleiner Pkw. Die Karosserie ist sehr schmal gehalten, denn man sitzt wie auf einem Motorrad obenauf. Hinten rollt mittig ein einzelnes Rad, eher eine fette Walze. Fahrer und Mitfahrer sitzen hintereinander. Angetrieben wird der Can-Am Spyder von einem 1.330 Kubikzentimeter großen, flüssigkeitsgekühlten Dreizylinder-Reihenmotor, den der kanadische Hersteller Bombardier von Rotax aus Österreich bezieht; 86 kW/115 PS leistet der Kraftbolzen, dazu kommt das beträchtliche Drehmoment von 130 Nm.

Mit dem Can-Am Spyder wendet sich der Hersteller BRP (Bombardier Recreational Products) an jene Autofahrer, die mit dem Frischluftvergnügen eines Motorrads liebäugeln.
Mit dem Can-Am Spyder wendet sich der Hersteller BRP (Bombardier Recreational Products) an jene Autofahrer, die mit dem Frischluftvergnügen eines Motorrads liebäugeln. Foto: BRP

Der kleinere und weitaus leichtere Ryker kommt ebenfalls mit einem Rotax-Triple, begnügt sich aber mit 600 bzw. 900 Kubik Hubraum und deshalb mit 37 kW/50 PS bzw. 61 kW/82 PS, bestens geeignet zum Einstieg. Gelenkt wird mit einer Lenkstange wie beim Motorrad, doch in Schräglage begeben können sich die beiden Can-Am-Gefährte nicht.

Fliehkräfte machen sich bemerkbar

Zur Folge hat dieser Umstand, dass sich in zügig gefahrenen Biegungen, wie sie auf kurvenreichen Gebirgsstrecken häufig sind, beträchtliche Fliehkräfte bemerkbar machen. Die müssen vom Piloten mittels Arm- und Schultermuskulatur kompensiert werden; auf einem Motorrad werden die Fliehkräfte durch die Schräglage egalisiert. Auch ein Mitfahrer muss sich deshalb ordentlich festhalten. Die seitlichen Haltegriffe des Spyder sind aber griffgünstig positioniert.

Angetrieben wird der Can-Am Spyder von einem 1.330 Kubikzentimeter großen, flüssigkeitsgekühlten Dreizylinder-Reihenmotor.
Angetrieben wird der Can-Am Spyder von einem 1.330 Kubikzentimeter großen, flüssigkeitsgekühlten Dreizylinder-Reihenmotor. Foto: BRP

Muskeltraining beim Fahren

Das im Kaufpreis des Gefährts – die Spanne reicht von gut CHF 11.450.- bis zu knapp CHF 35.000.- – enthaltene Muskeltraining wirkt beim Fahrer allerdings ungleichmäßig; primär profitiert davon die linke Körperseite. Das liegt daran, dass auch das Gasgeben wie beim Motorrad funktioniert, nämlich mittels eines Drehgriffs auf der rechten Lenkerseite. Diesen Drehgriff sollte man beim Kurvenfahren nicht unbedacht bewegen, weil die Gefahr groß ist, dass der potente Spyder unbeabsichtigt beschleunigt. Der Fahrer wird also vernünftigerweise in Rechtskurven den linken Lenkergriff von sich wegdrücken und in Linkskurven den linken Lenkergriff zu sich herziehen, während seine Rechte sich mit einer Stabilisierungsfunktion begnügt. Gebremst wird übrigens ausschließlich mit dem rechten Fuß; Handhebel gibt es keine.

Der Fahrer muss die Fliehkräfte ausgleichen.
Der Fahrer muss die Fliehkräfte ausgleichen. Foto: BRP

Fahrdynamik

Die Fahrdynamik eines Can-Am Spyder ist der eines Motorrads der unteren Mittelklasse ähnlich. Auch sonst gibt es Parallelen bei der Nutzung, doch finden sich auch große Unterschiede: Das Dreirad kann dank seiner beiden Vorderräder niemals umfallen. Man kann also bei stehendem Fahrzeug leicht auf- und absteigen, zudem ist die Sitzhöhe sehr niedrig. Auch der stets vorhandene Rückwärtsgang ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Zur Entspannung trägt bei, dass der Fahrer eines Dreirads von widrigen Straßenverhältnissen (Nässe, feuchte Blätter, verschmutzter Asphalt) stets weit weniger irritiert wird als ein Motorradfahrer. Es ist für Neulinge erstaunlich, wie Spyder und Ryker um die Kurven flitzen können; selbst im strömenden Regen verhalten sie sich nach unseren Erfahrungen völlig problemlos. Fahrleistungen spielen für die meisten Can-Am-Fahrer in der Praxis keine wesentliche Rolle; sie sind primär Genießer und schätzen vor allem den Komfort und die Souveränität ihres Fahrzeugs.

Die Fahrdynamik eines Can-Am Spyder ist der eines Motorrads der unteren Mittelklasse ähnlich.
Die Fahrdynamik eines Can-Am Spyder ist der eines Motorrads der unteren Mittelklasse ähnlich. Foto: BRP

RT-Modell mit 177 Litern Stauraum

Während der filigranere Ryker sich insbesondere für kürzere Ausflüge anbietet, drängt sich der voluminösere Spyder für längere Touren wie auch mehrtägige Reisen auf. Als RT-Modell offeriert er nicht weniger als vier Stauräume (einen in der Fahrzeugfront, drei am Heck) mit 177 Litern Fassungsvermögen. Wobei es vom Spyder zwei Variationen gibt: den sehnig-drahtigen F3 und den ausladenden RT, der für 2022 in der luxuriösen „Sea-to-Sky“-Version neu angeboten wird. Dann kostet er allerdings auch ab CHF 34.950.-.

Ryker Rally

Neu für 2022 im Programm ist ebenfalls der verbesserte Ryker Rally. Diese Version wird vom 61 kW/82 PS starken 900er Dreizylindermotor angetrieben und zeichnet sich durch gröber profilierte Reifen sowie mehr Bodenfreiheit und allerlei andere Zutaten aus, die auch Ausflüge abseits asphaltierter Straßen erleichtern sollen. Zu haben ist diese Variante inklusive eines optimierten Rallye-Fahrmodus zur leichteren Ausführung kontrollierter Drifts ab CHF 15.950.-. Auch die Sport-Version des Ryker (ab CHF 11.450.-) ist neu; ebenfalls einsitzig, wirkt reduziert und deshalb aggressiv. Ebenfalls neu ist der ausschließlich für die Straße gedachte Spyder F3 Limited Special Series; trotz Ausrüstung mit Seitenkoffern, Topcase und sportlich-knappem Windschild wirkt er nicht nur dynamisch, sondern lässt diese Dynamik auch beim Fahren wirksam werden, ohne an Komfort einzubüßen. Sein Windschutz ist eine Nummer sparsamer als beim mächtigen RT Limited, der Preis liegt bei CHF 27.750.-.

Ulf Böhringer/SP-X

Technische Daten Can-Am Spyder RT LTD / Spyder F3-S/ Ryker 900

Motor: Flüssigkeitsgekühlter Dreizylinder-Reihenmotor hinter der Vorderachse, 1330 / 900 ccm Hubraum, elektronische Einspritzung, 86/115 PS / 61/82 PS kW bei 7.250 / 8.000/min. Halbautomatisches Sechsganggetriebe/stufenloses CVT-Getriebe, jeweils mit Rückwärtsgang

Fahrwerk: Stahlrohrrahmen; vorne doppelte Querlenker (Spyder mit Querstabilisator), hinten Schwingarm-Führung. Vorne zwei Scheibenbremsen, hinten eine Scheibenbremse, elektrische Feststellbremse, ABS

Assistenzsysteme: Stabilitätskontrollsystem, Traktionskontrolle, Berganfahrassistent

Maße und Gewichte: Länge 2,35/2,64/2,83 m, Breite 1,52/1,50/1,55 m, Trockengewicht 280/408/464 kg, Tank 20/27/26,5 Liter

Preis: Ryker ab CHF 11.450.- / Spyder F3 ab CHF 22.950.- / Spyder RT ab CHF 34.950.-