Im VW 181 durch die USA: Zeitreise auf vier Rädern
Lesezeit 4 Min. Kantig, offen, unverwechselbar: Wer mit dem VW 181 durch die Weiten der USA cruiset, wird nicht übersehen. Während Volkswagen daheim mit Krisenstimmung kämpft, rollt der kultige Klassiker in Amerika mitten durch die Herzen der Nostalgie-Fans – und direkt hinein ins Sommer-Feeling vergangener Jahrzehnte.
SP-X/Köln. Es ist früher morgen im Nirgendwo der Great Smokey Mountains und das gesamte Dorf trifft sich beim örtlichen Kaffeebrauer. Nur sprechen sie diesmal nicht über Baseball und Football und Ausnahmsweise auch nicht über Politik. Obwohl es da gerade mehr als genug zu bereden gäbe in den USA, selbst wenn Washington weit weg ist. Jung und alt, vor oder hinter dem Thresen – alle wollen sie wissen, was das für ein kanariengelbes Ding ist, dass da draußen zwischen den rostigen Pick-ups und den angeranzten Geländewagen auf den Parkplatz seht.
VW 181: Zunächst fürs Militär entwickelt
Dabei haben sie es längst erraten und treffen den Nagel mit “dem Ding” auf den Kopf. Denn was da in den 1960ern in Deutschland zunächst fürs Militär entwickelt wurde und 1969 amtlich als VW 181 auf den Markt kam, war den Amerikanern mit seiner Wellblechkarosse, den Abenteuergenen des ersten Kübelwagens und einem flatterigen Stoffverdeck schon damals so suspekt, dass die Niedersachsen es auf dem Weg in den Westen ganz offiziell als “The Thing” vermarktet haben.
Freizeit- und Lifestyleauto für Hippies und Surfer
Während die Fahrer bei uns meist Uniform getragen haben, und sei es nur die von THW oder Feuerwehr, war die Garderobe in den USA meist luftiger: Shorts oder Minirock, Hawaii-Hemd oder Bikini-Top, mehr brauchte es nicht. Denn jenseits des Atlantiks war der Erbe des Kübelwagens vom ersten Tag an ein Freizeit- oder Lifestyleauto, selbst wenn das damals noch keiner buchstabieren konnte. Als launiges und vor allem billiges Cabrio, das mit zwei Handgriffen und umgelegter Rückbank sogar zum Pick-Up taugte, hat er all jene Hippies und Surfer bei der Stange gehalten, den der Käfer und mehr noch der Bus unter dem Allerwertesten weggerostet waren.
Der VW 181 wurde für den US-Markt in Mexiko gebaut
Das ist jetzt zwar bald 50 Jahre her. Denn in Deutschland wurde der VW 181 bis 1978 und in Mexiko für den US-Markt noch zwei Jahre länger gebaut, bevor 1980 nach insgesamt 140.768 Exemplaren Schluss war. Deshalb ist das kantige Cabrio auch in Amerika mittlerweile eine echte Rarität. Aber jeder kennt einen, der einen kennt, jeder hat dazu eine Erinnerung und vor allem hat jeder ein Lächeln im Gesicht, wenn er den Oldtimer in seinem strahlenden Gelb gegen die Sonne anfunkeln sieht – selbst wenn er mit kaum 40 Meilen pro Stunde vor einem her tuckert und so den Verkehr aufhält.
Von den Südstaaten an die Westküste
Weil solche Momente selten geworden sind, erst recht in einem VW, und weil sie gut tun in einer Zeit, in der es zwischen den einstmals besten Freunden mächtig knirscht und kriselt, ist „The Thing“ jetzt noch einmal auf großer Fahrt, rollt von den Südstaaten an die Westküste und tankt neben reichlich Sonne vor allem 4.500 Kilometer guter Laune.
Memphis: Audienz beim King
Die Tour beginnt eher zufällig in Charlotte in North Carolina und führt natürlich wir allem auf Nebenstraßen – weil der Spaß auf den Interstates zwischen all den Tricks eher limitiert ist und man dort mit 44 PS auch nicht schneller voran kommt – über Georgie zunächst nach Memphis Tennessee, wo The Thing eine Audienz beim King hat. Schon auf der Beale Street, der Hauptstraße der Blues-Musik ist er kantige Cousin des Beetle ein Blickfang. Aber spätestens nach dem Besuch Elvis‘ Garage kann man sich gut vorstellen, dass sich auch Mr. Presley für den Kübel hätte begeistern und dafür zumindest mal kurz seinen pinken Cadillac hätte stehen lassen können.
Elvis war bekannt für seine Spontankäufe
Zumal er erstens bekannt war für seine Spontankäufe, zweitens die aktuell vielleicht 10, wenn‘s dumm läuft auch mal 20.000 Dollar für ihn nicht einmal „Peanuts“ gewesen wären und er drittens in seiner Zeit in Bad Nauheim und Friedberg ja zumindest ein bisschen deutsche PS-Kultur aufgesogen haben müsste. Und weil er als Soldat im Land war, passt die Idee vom Militärfahrzeug schließlich auch.
Durch Texas und New Mexiko
Weiter geht es durch Texas und New Mexiko und selbst die eisigen Temperaturen und die defekte Heizung können den Spaß auf der Strecke nicht trüben, Genauso wenig wie die dünn gepolsterten Sessel, die man heute nicht einmal als Gartenstuhl akzeptieren würde. Oder das flatternde Zelt, dass ein Ingenieur in Wolfsburg in einer seltenen Anwandlung von Humor und Ironie zum Dach deklariert hat. Nicht nur, dass die Planen noch lauter flattern, als der Boxer im Heck knattert, oder dass die Scheiben schon beim leisesten Atemzug anlaufen. Zudem sind die Karosseriefugen so breit, dass man den Spiegel auch bei geschlossenen Fenstern und Türen verstellen kann. Kein Wunder, dass ein gewisser Ferdinand Piech später eine fast obsessive Faszination für schmale Fugen entwickelt und es zum ehrfürchtig-ironischen Spitznamen „Fugen-Ferdel“ gebracht hat.
Durch den Joshua-Tree National Park
Aber lange frieren müssen die Insassen nicht. Denn erstens wird es einem mit jedem Lächeln aus einem anderen Auto wärmer ums Herz und zweitens steigen auf dem Weg in den Westen die Temperaturen beachtlich. In Arizona scheint die Sonne und die Kakteen sprießen und Kalifornien wird seinem Ruf erst recht gerecht. Kurz noch durch den Joshua-Tree National Park, dann leuchtet am Horizont schon der Pazifik und das Lichtermehr von Los Angeles verleiht dem Nachthimmel seinen einzigartigen Glanz.
4 500 Kilometer
Als der VW 181 nach 4 500 Kilometern ohne Murren und Mucken mit ungerührt knatterndem Boxer in der Stadt der Engel einrollt, ist die Begeisterung für Land und Leute ungebrochen. Klar war die Stimmung zwischen den USA und Deutschland seit 1945 nicht mehr so schlecht wie heute, und über Politik spricht man bei so einem Roadtrip besser nicht. Doch Petrolheads verstehen sich über geografische, gesellschaftliche und politische Barrieren hinweg blendend. Und wenn ein einstmals fürs Militär entwickeltes Auto im vermeintliche “Feindesland” zum Freundschaftsstifter taugt, sind das ja keine schlechten Aussichten.