Günstige Elektroautos: Die Krux mit den Produktionskosten
Lesezeit 6 Min. Die elektrische Revolution hat ihren Preis: Die Industrie investiert hohe Summen, der Staat unterstützt mit Subventionen, und die Verbraucher zahlen bislang hohe Preise. Doch für Kunden wird es allmählich günstiger, da die ersten erschwinglichen E-Autos auf den Markt kommen. Die Frage bleibt jedoch: Wie nachhaltig ist dieses Geschäft?
SP-X/Köln. Der billigste Neuwagen in Deutschland kostet aktuell 11.800 Euro und ist voll und ganz alltagstauglich. Denn der Dacia Sandero bietet bei 4,09 Metern Länge halbwegs ausreichend Platz für Kind und Kegel und fährt über 900 Kilometer weit. Allerdings mit Sprit und nicht mit Strom. Denn wer für kleines Geld ein neues Auto braucht, der ist technisch im Gestern gefangen und von der Mobilitätswende noch ausgeschlossen: Elektroautos sind deutlich teurer, erst recht, wenn sie vergleichbaren Anforderungen genügen sollen. Hier beginnen die Preise – übrigens ebenfalls bei Dacia – erst ab 16.900 Euro und der gerade mal 3,73 Meter kurze Spring ist damit noch lange nicht als Erstwagen für den Alltag gewappnet. Denn hinten wird es ganz schön eng und nach spätestens 225 Kilometern muss er an die Box.
Schon eine kleine Batterie kostet 6.000 Euro
„Es ist einfach verdammt schwer, ein bezahlbares Elektroauto zu bauen, geschweige denn ein billiges“, sagt Arthur Kipferler. „Denn wo der Drei- oder Vierzylinder eines Kleinwagens die Hersteller im besten Fall keine 1.000 Euro kostet, steht selbst eine kleine Batterie schnell mit 6.000 Euro in den Büchern,“ erläutert der Partner beim Strategieberater Berylls by AlixPartners in München. Weil aber der Materialwert eines Autos bei etwa 40 Prozent liegen sollte, wenn es am Ende Gewinn abwerfen soll, bleibt für den Rest drumrum nicht mehr viel, erklärt Kipferler, weshalb so viele auch nur halbwegs erschwingliche Autos so billig und lieblos wirken.
Dacia Spring und Renault Twingo als Preisbrecher
Doch so langsam ändert sich was: Nachdem die Hersteller den Markt bislang von oben aufgerollt haben, weil sie bei teuren Autos die hohen Kosten besser verstecken konnten und auf experimentierfreudige Kunden hoffen durften, kommt seit ein paar Monaten Bewegung ins untere Preissegment. Dem Dacia Spring und seinem etwas feineren Bruder Renault Twingo stehen neuerdings als Preisbrecher aus China für 18.900 Euro der Leapmotor T03 zur Seite und seit Citroen im Sommer für mindestens 23.300 Euro den C3 gebracht hat, gelten auch europäische Elektroautos plötzlich als erschwinglich.
Renault Twingo
Zumal der Citroen ja nicht alleine bleibt. Innerhalb der Stellantis-Familie wollen auf der gleichen Plattform zu einem ähnlichen Preis Fiat mit dem Grande Panda und Opel mit dem Frontera ihr Glück probieren und nachdem sie erst einmal mit den nobleren Varianten gestartet sind, bringen die Konkurrenzen bei Renault im neuen Jahr auch den R5 unter die Schmerzgrenze von 25.000 Euro. Außerdem arbeiten sie am Nachfolger des Twingo, der dann keine 20.000 Euro mehr kosten soll. Selbst der VW-Konzern ist mittlerweile auf den Trichter gekommen und bereitet rund um den ID.2 eine Familie neuer Volkswagen zu volkstümlichen Preisen vor, die auch Ableger bei Skoda und Cupra bekommen wird.
Preisbrecher aus China
Und dann sind da ja auch noch die Chinesen: Dort gibt es bereits dutzende Autos, die allesamt billiger sind als bei uns der Dacia Spring. Doch nach Europa haben es die bis dato nicht geschafft. Denn erstens erfüllen sie oftmals nicht die hiesigen Standards, zweitens versprechen sie nicht die gleichen Renditen wie Edel-Exporte vom Schlage eines Nio oder eines BYD und drittens lassen sich die günstigen Preise wegen der Logistik und den Zulassungsvoraussetzungen oft nicht halten, urteilen Analysten. „Aber über kurz oder lang werden wir solche Autos auch bei uns sehen,“ ist Berylls by AlixPartners-Partner Jan Burgard überzeugt.
Lohn- und Energiekosten
Deshalb sind die europäischen Hersteller gut beraten, selbst an den Kosten zu drehen und können dafür mehrere Stellschrauben nutzen. Sie beschneiden das Format und setzten wieder auf Klein- und Kleinstwagen. Sie sparen am Antrieb und bauen kleine Akkus oder langsame Lader ein. Oder sie verlagern die Produktion wie Dacia beim Spring aus China oder Fiat beim Grande Panda und Citroen beim C3 aus Polen in Ländern mit niedrigeren Lohn- und Energiekosten. Denn in Deutschland, so hat es Opel-Chef Florian Hüttl gerade im Interview klargestellt, lassen sich mit den aktuellen Kostenstrukturen billige E-Autos auf absehbare Zeit nicht produzieren. Kein Wunder, dass auch der Frontera nicht aus Rüsselsheim kommt oder aus Eisenach, sondern aus der Slowakei.
Die Reichweitenangst
Preisbrecher aus China und bezahlbare Kleinwagen aus den europäischen Billiglohnländern – kommt damit der ersehnte Durchbruch fürs Elektroauto? Ganz so optimistisch ist Kipferler da nicht. „Denn der hohe Preis ist ja nur eine Hürde,“ sagt der Berylls-Experte. Nur weil die Autos vielleicht billiger würden, sei weder die Reichweitenangst ausgeräumt, noch würde das Laden leichter: Gerade in diesem Preissegment dürften die wenigsten Kunden zu Hause oder am Arbeitsplatz laden können und seien deshalb besonders auf eine Infrastruktur angewiesen, die noch immer viel Optimierungsbedarf habe. „Außerdem ist ein Elektroauto für 25.000 Euro oder weniger ja noch immer kein billiges Auto. Denn die Konkurrenz ist nicht das Elektroauto für 40.000 Euro, sondern der Benziner, den es schon für 15.000 Euro gibt.“
Drohende Strafzahlungen aus Brüssel
Während die Kunden also womöglich weiter zögern, wächst der Druck auf die Hersteller. Denn dass jetzt so viele billige E-Autos auf den Markt kommen, ist nur zum Teil der Lohn der langen Entwicklungsarbeit und der steilen Lernkurve der letzten Jahre. Es hängt auch an den drohenden Strafzahlungen, die Brüssel ab dem neuen Jahr einfordert, wenn die Unternehmen ihre CO2-Ziele reißen. „Und da kommt es auf jede Zulassung an“, sagt Kipferler. Deshalb würden die Hersteller und Importeure auf Teufel komm raus E-Autos in den Markt drücken. „Natürlich nur so viele, wie sie für die CO2-Bilanz brauchen“, sagt Kipferler und spricht von genau kalkulierten „Compliance Zulassungen“: „Selbst wenn sie daran weniger verdienen.“
Besser Geld für Entwicklung und Produktion ausgeben
Oder vielleicht sogar Minus machen. „Denn unter dem Strich ist es trotzdem besser, Verluste einzufahren als Strafe zu zahlen,“ sagt der Experte. „Und zwar fürs Image und zweitens für den Fortschritt. Schließlich ist das Geld in Entwicklung und Produktion besser investiert als in die EU-Kassen.“ Und wenn irgendwann der Knoten doch noch platzt, die Preise für die Komponenten purzeln oder einer die Wunderbatterie erfindet, sind sie dann gleich im Spiel. Wenn nur einer wüsste, wann dieses Spiel beginnt.
Dieser Beitrag stammt von Benjamin Bessinger, Redakteur für das Redaktionsbüro SPS Spotpress Services GmbH.