Fünf elektrische Kleinstfahrzeuge
Lesezeit 7 Min. Von wegen überteuerten E-Autos – es kommt auf die Ansprüche an. Mittlerweile gibt es auch Stromer für kleine Budgets. Allerdings fallen diese oft nicht wirklich in die Kategorie „Auto“ – selbst bei den Zulassungsbehörden. Große Sprünge sind damit ebenfalls nicht zu erwarten.
Inhaltsverzeichnis
SP-X/Köln. Wer sagt denn, das Elektroautos unbezahlbar sind? Ja, die ersten Viersitzer starten bei mehr oder minder runden 20.000 Euro und wer eine respektable Reichweite verlangt, ist schnell in den 30.000ern. Doch wenn es um urbane Mobilität und das klassische Zweit- oder gar Drittfahrzeug geht, dann ist man schon für viel weniger dabei. Denn die elektrische Revolution hat uns ein paar Schmalspur-Stromer auf die Straße gespült, die zwar keine großen Sprünge machen können, meist nur rudimentäre Sicherheit und noch weniger Komfort bieten, dafür aber oft nicht mehr kosten als ein klassischer Kleinwagen – und zwar als gebrauchter. Und ganz nebenbei holen sie auch noch eine neue Zielgruppe ins Auto oder besser: hinter das Lenkrad. Denn weil sie mit ein paar Einschränkungen auch in der Kategorie L6 als Leichtkraftwagen geführt werden, dürfen hier schon 15jährige ans Steuer.
Surfer im Stopp-And-Go-Verkehr
Zwar haben die einzelnen Modelle mal mehr und mal weniger Charme und mit ihrem handlichen Format kompensieren sie zumindest m Stadtverkehr den Mangel an Leistung und machen als Surfer im Stopp-And-Go-Verkehr durchaus Spaß. Von der Parkplatzsuche, korrigiere: vom Parkplatz finden ganz zu schweigen. Doch für den Durchbruch wird das kaum reichen, glauben Experten: Dazu mangele es ihnen an der Nutzbarkeit, sagt Andreas Radics vom Münchner Strategieberater Berylls by AlixPartners: „Reichweite, Geschwindigkeit und Raumangebot können nicht mit konventionellen Autos konkurrieren. Deshalb sind sie nur eingeschränkt alltagstauglich.“ Damit füllten sie eine Nische, blieben aber eben auch nur eine Randerscheinung bei der Mobilitätswende. Und noch etwas fehle den kleinen häufig: „Neben dem Produkt müssen auch Vertrieb, Service und Aftermarket-Angebot stimmen und das sehen wir bei den Newcomern überwiegend nicht.“ Auch Stefan Möller, als großer Vermieter von Elektroautos ein Mentor der neuen Mobilität, ist eher skeptisch: „Als Nischenprodukte für Individualisten werden die Kleinen sicher Fans finden. Aber an einen kurzfristigen Durchbruch glauben wir nicht“, sagt der Nextmove-Chef aus Leipzig.
Bewegung im Markt
Und trotzdem ist Bewegung im Markt. Denn ein paar Stammspieler halten sich jetzt schon seit mehreren Jahren und neue Modelle wollen frischen Wind bringen. Fünf Beispiele.
Mobilize Duo: Mit dem Zweiten fährt man weiter
Aus Renault wird Mobilize und der Twizy heißt jetzt Duo – doch an der Idee des Scheiblettensmart hat sich nichts geändert. Denn auch die zweite Auflage des elektrischen Minimobils, das kurz nach dem Jahreswechsel zu Preisen ab etwa 10.000 Euro in den Handel kommt, ist ein Schmalspurstromer für die Stadt mit zwei hintereinander montierten Sitzen, minimalistischer Verkehrsfläche von 2,50 mal 1,30 Metern und rudimentärer Ausstattung. Nur dass es jetzt auch eine Cargo-Variante gibt, die einen Kunststoffkoffer auf dem Rücken trägt, statt eines zweiten Sitzes und dann als Bento verkauft wird. Wie schon beim Original gibt’s wieder zwei Leistungsstufen: Als L6-Fahrzeug ist er auf 45 km/h limitiert, darf dafür aber schon ab 15 Jahren gefahren werden, als L7 sind 80 Sachen drin, doch muss man dann auch volljährig sein.
Gegenüber dem Twizy haben die Franzosen allerdings noch einmal kräftig aufgerüstet: Bei der Ausstattung, weil es jetzt auch einen Airbag gibt, eine Sitzheizung und Parksensoren zum Schutz der Kehrseite, das Smartphone besser integriert wird und ein Art Ghettoblaster aus den 1980ern das Cockpit dominiert. Und beim Antrieb, weil der Akku jetzt 10,3 kWh fasst und damit für bis zu 160 Kilometer reicht.
Silence S04 Nanocar: Konkurrenz im eigenen Haus
Statt einfach den Duo aka Twizy zu übernehmen, emanzipiert sich Renaults Schwestermarke Nissan und geht mit dem spanischen Hersteller Nanocar fremd. Der baut einen ebenfalls zweisitzigen Stromer auf ähnlich schmaler Spur, der sogar nur 2,28 Meter misst. Mindestens 11.995 Euro teuer, fällt er ebenfalls in die Kategorien L6 oder L7 und schafft so je nach Variante 45 oder 70 km/h.
Während das Design etwas zurückhaltender ausfällt als beim Duo, leistet sich der Silence S04 einen anderen Clou: Um die Geduldsprobe beim Laden, die in dieser Klasse gerne mal vier Stunden und mehr währt, zu verkürzen, haben die Spanier ein Wechselsystem für die ein oder zwei Batterien entwickelt, die bis zu 149 Kilometer Reichweite ermöglichen sollen. Das funktioniert zwar nicht ganz so ausgeklügelt wie bei Nio und erfordert ein bisschen Handarbeit, macht den Schmalhans aber in wenigen Minuten wieder fit fürs nächste Abenteuer.
XEV Yoyo: Der Smart sagt Hello „Again“
Der originale Smart ist zwar seit bald einem Jahr Geschichte. Doch beim chinesischen Hersteller XEV lebt die Idee als Yoyo munter weiter – und findet ihren Weg auch wieder zu uns. Denn genau wie der Bonsai-Benz ist auch der chinesische Winzling ein Zweisitzer mit klassischer Bestuhlung und imitiert sogar die Sicherheitszelle des Originals.
Er wird im Netz für Preise weit jenseits von 15.000 Euro angeboten, hat dafür aber auch bis 15 kW und damit doppelt so viel Leistung. Außerdem schafft er für diese Klasse fast schon abenteuerliche 90 km/h. Seine Akkus fassen ebenfalls runde 10 kWh und ermöglichen bis zu 150 km Reichweite. Der Clou auch hier: Statt mit mageren 2,2 kW in gut und gerne vier Stunden den Strom aus der Leitung zu nuckeln, lassen sich die Batterien ebenfalls in wenigen Minuten tauschen. Wenn man denn in der Nähe einer entsprechenden Station unterwegs ist.
Fiat Topolino: Der dritte Zwilling
Den Anfang hat Citroen mit dem Ami gemacht, dann hat Opel mit dem Rocks nachgezogen, und jetzt ist auch noch Fiat mit dem Topolino im Boot. Alle drei Stellantis-Schwestern locken den automobilen Nachwuchs und die klassische Drittwagen-Kundschaft mit einer rollenden Plastikschachtel aus Marokko, die jede Marke zwar ein bisschen ihrem Image anpasst und die Fiat mit einem Hauch von Dolce Vita sogar zum charmanten Verführer macht. Doch unter dem Blech, sorry: der knarzenden Kunststoffkarosse sind sie alle gleich: Weil der Würfel mit zwei Sitzen von Gesetz wegen nicht schneller fahren darf als 45 km/h, reicht ihm auch eine E-Maschine von 8 PS. Gespeist wird die aus einer 5,4 kWh großen Batterie, die für bis zu 75 Kilometer reicht und dann binnen vier Stunden an der Haushaltssteckdose geladen wird.
Die Preise für das Trio liegen alle bei rund 10.000 Euro und im Leasing wird’s deutlich billiger. Doch dass etwa der Rocks monatlich nicht mehr kostet als eine Netzkarte des lokalen Verkehrsverbundes, das hat sich mittlerweile erledigt. Denn auch die Öffis haben ihre Mobilitätswende -und sind dem Deutschlandticket sei Dank wieder billiger. Und weiter rumkommen als in Topolino & Co kommt man damit auch.
Microlino: Die Rolle rückwärts
Er hat uns mit dem Charme der 1950er gelockt und als Microlino die Isetta als elektrischen Kleinwagen zurückgebracht. Und zwar nicht spaßbefreit, weil auf 45 km/h beschnitten wie Opel Rocks, Citroen Ami und Fiat Topolino, sondern mit 17 PS und 90 km/h fast so schnell und auf jeden Fall so unterhaltsam wie das Original. Gut, man muss dafür auch runde 20.000 Euro bezahlen, was viel Geld ist für einen elektrischen Kleinstwagen mit 10,5 kWh und 177 Kilometern Reichweite. Doch dafür wird man im Microlino auch an- und nicht ausgelacht und stiehlt in der Stadt jedem Sportwagen in der Charmewertung die Schau.
Doch die Zulassungszahlen sind nach wie vor bescheiden und die Schweizer Macher wollen mit weiteren Varianten im Gespräch bleiben. Gerade erst haben sie auf dem Pariser Salon deshalb den Microlino Spiaggia als lebenslustiges Strandkörbchen mit Stoffdach vorgestellt und damit gleichzeitig sehr treffend den Markt für die Minimobile beschrieben: Das gibt es noch viel Luft nach oben.
Dieser Beitrag stammt von Benjamin Bessinger, Redakteur für das Redaktionsbüro SPS Spotpress Services GmbH.