Fünf E-Auto-Plattformen mit 800-Volt-Architektur
Lesezeit 4 Min. Erst mit schnellen Ladezeiten werden Elektroautos wirklich für lange Strecken geeignet. Ein entscheidender Faktor dabei ist die Bordspannung, wobei 800 Volt momentan als Goldstandard gelten.
SP-X/Köln. 800 Volt können den Alltag von E-Fahrern ungemein erleichtern, denn diese Systemspannung macht Stromer besonders langstreckentauglich. Doch so sehr die 800-Volt-Stromer auch Begehrlichkeiten wecken, auf dem E-Automarkt sind sie bislang eher eine Ausnahmeerscheinung. Gerade einmal fünf Plattformen mit diesem Technik-Leckerli gibt es aktuell auf dem deutschen Markt, auf denen ein breiteres Spektrum an meist hochpreisigen E-Autos zur Auswahl steht.
Hyundai/Kia Motor Group
Das derzeit größte Angebot an 800-Volt-Stromern kommt von der Hyundai Motor Group. Alle Modelle basieren auf der 2021 eingeführten Electric Global Modular Platform (E-GMP). Dieser Unterbau zeichnet sich durch eine größenvariable Grundstruktur mit einem Batteriepaket im Fahrzeugboden aus, an der zwei E-Achsen montiert sind. Die Vorderachse ist mit Einzelradaufhängung, MacPherson-Federbeinen und Frontmotor ausgestattet, die Hinterachse mit Fünflenker-Hinterachse und Heckmotor. Das Leistungsspektrum der ein- oder zweimotorigen Antriebssysteme reicht bislang von 125 kW/170 PS bis zu 430 kW/585 PS. Bei den Akkus stehen für insgesamt sieben Baureihen zudem die Formate 58, 73, 77 und 85 kWh zur Wahl. Hyundai bietet die beiden Modelle Ioniq 5 und 6 an, die mit 44.000 Euro auch preislich den Einstieg in die E-GMP-Welt markieren. Hinzu kommen die beiden Kia-Baureihen EV6 und EV9. Bei der Nobelmarke Genesis sind der GV60 sowie die elektrifizierten Varianten des GV70 und G80 am Start. Der vergleichsweise günstige Ioniq 6 ist mit 614 Kilometern übrigens der Reichweitenkönig im Feld.
VW-Konzern J1-Plattform
Recht variantenreich und zudem auf mittlerweile zwei Plattformen verteilt sich das 800-Volt-Angebot des VW-Konzerns, das sich allerdings auf die Premiummarken Porsche und Audi beschränkt. Porsche ist mit der sogenannten J1-Plattform und dem darauf basierenden, 2019 eingeführten Taycan sogar 800-Volt-Pionier. Die Plattform erlaubt vier Motoren, ein Leistungsspektrum von 300 kW/408 PS bis 760 kW/1.034 PS sowie Akkuformate von aktuell 89 bis 105 kWh und damit Reichweiten von bis zu 678 Kilometer. Seit dem Facelift 2024 sind bis zu 320 kW Ladeleistung drin. Im Idealfall reicht deshalb eine 20-minütige Ladepause, um mit dem Taycan bis zu 1.000 Kilometer weit zu fahren. Neben dem Taycan offeriert Porsche auch die etwas geräumigeren Karosserievarianten Taycan Sport und Cross Turismo. Alternativ zum Taycan gibt es von Audi den E-Tron GT. Den preislichen Einstieg in die leider teure J1-Welt erlaubt Porsche mit dem Basis-Taycan ab 101.500 Euro.
VW-Konzern PPE-Plattform
Auf J1-Basis sind 800 Volt also ziemlich teuer, weshalb der VW-Konzern die ebenfalls Porsche und Audi vorbehaltene PPE-Plattform entwickelt hat, die aktuell den neuen E-Modellen Porsche Macan, Audi Q6 E-Tron und A6 E-Tron sowie einer Neuauflage des Porsche Cayenne als Basis dient. Aktuell stehen verschiedene Heck- und Allradantriebe mit einem Leistungsspektrum von 185 kW/252 PS bis zu 470 kW/639 PS zur Wahl. Als Batterieformate sind 83 oder 100 kWh wählbar. Reichweitenstärkstes Modell wird der A6 E-Tron mit bis zu 756 Kilometer sein. Bis zu 270 kW Ladeleistung sind abrufbar. 100 Kilometer lassen sich hier im Idealfall so in 4 Minuten nachladen. Günstigster Einstieg in den PPE-Welt ist der heckgetriebene Q6 E-Tron mit 83 kWh und 185 kW/252 PS, der ab 63.500 Euro angeboten wird.
Lucid Motors
Man könnte meinen, die 800-Volt-Plattformen seien nicht mehr zu toppen. Doch mit Lucid Motors ist ein bislang noch in der Nische verharrender Herausforderer aus den USA mit einer hinsichtlich Eckdaten und Performance sehr beeindruckenden 900-Volt-Architektur angetreten. Einziges in Deutschland angebotenes Modell ist bislang die Limousine Air, die neben viel Premium zudem viel Leistung und ebensolche Fahrleistungen bietet. Los geht es hier mit der einmotorigen, 321 kW/436 PS starken Basis, die bereits in unter 5 Sekunden auf Tempo 100 sprintet. Sapphire heißt die Topversion mit drei Motoren und 920 kW/1.251 PS, die den Standardsprint in weniger als zwei Sekunden abhakt. Zudem bietet Lucid vier Batterieformate von 88 bis 118 kWh. Am reichweitenstärksten ist der Grand Touring mit 830 Kilometern. Eine weitere Stärke ist die extrem schnelle Aufladung: 400 Kilometer sind in 16 Minuten getankt. Die Preise für den Air beginnen bei 85.000 Euro.
Lotus
Lotus gehört seit geraumer Zeit zum chinesischen Geely-Konzern, der unter dieser Marke auch besonders leistungsstarke Elektroautos wie den Eletre vertreibt, der auf einer 800-Volt-Plattform basiert. Auf dieser Basis gibt es nun ein für die britische Leichtbaumarke ungewöhnlich großes und schweres Auto. Der 2,6-Tonner ist 5,10 Meter lang. Wahlweise 450 kW/612 PS oder 675 kW/918 PS treiben die Masse an. Wer sich mit dem Gasfuß zurückhält, soll dank der 112 kWh großen Batterie bis zu 600 Kilometer weit kommen. Die maximale Ladeleistung soll 350 kW betragen, was ein Auftanken von 10 auf 80 Prozent in 20 Minuten ermöglichen würde. 100 Kilometer sind also in 5 Minuten „getankt“. Der Startpreis liegt bei 96.000 Euro.
Ganz vollständig sind die in Deutschland verfügbaren E-Autos mit 800 Volt damit noch nicht aufgezählt. Selbst unter Exoten ein Exot ist etwa das kroatische Hypercar Rimac Nevera mit einem mindestens 1.408 kW/1.914 PS starkem Viermotorenantrieb, 120 kWh großem Akku und theoretischen 500 kW Ladeleistung. Allerdings wird diese mindestens zwei Millionen Euro teure Flunder kaum ein Mensch je zu Gesicht bekommen, geschweige denn fahren.
Hingegen zu einer größeren Verbreitung von 800 Volt könnte der China-Riese BYD mit seiner E-Platform 3.0 beitragen. Unter anderem die in Deutschland erhältliche Limousine Seal basiert auf dieser bislang mit 400 Volt Systemspannung betriebenen Architektur. Mittlerweile hat BYD in China auf die E-Platform 3.0 Evo und damit auf 800 Volt umgestellt. Beim in China kürzlich vorgestellten Facelift des Seal ist nun ein 81 kWh großer Akku an Bord, der rund 600 Kilometer Reichweite erlaubt und sich in 25 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufladen lässt. Wann der neue Seal nach Deutschland kommt, ist noch nicht bekannt.