Ford Fiesta: Abschied von einem Grossen unter den Kleinen
Der Ford Fiesta, einer der traditionsreichsten Kleinwagen, wird nur noch bis Mitte 2023 gebaut. Eine Erinnerung an eines der erfolgreichsten Autos in Europa.
SP-X/Köln. Als Goldener Vogel ist er ein gefeiertes Kölner Kunstobjekt, als schicker Stadtflitzer ein erfolgreicher Frauenversteher und als kraftstrotzender Sportler genießt er Kultstatus. Nun endet die Karriere eines der erfolgreichsten Kleinwagen der Welt: Im Sommer 2023 stellt Ford die Produktion des Fiesta nach 47 Jahren Bauzeit ein. Ein Rückblick auf seine bewegte Geschichte.
Der Fiesta war Fords wichtigste Neuentwicklung seit dem legendären Modell T
Für die Fachwelt kam der Ford Fiesta viel zu spät. Schließlich schienen alle Fahrspuren der kleinen Klasse längst besetzt, als am 11. Mai 1976 die Fertigung des in Köln entwickelten City-Cars anlief. Nicht weniger als 30 europäische Konkurrenten kämpften damals bereits um die Gunst der Kleinwagenkäufer. Allerdings war Europa für den Fiesta nicht genug. Er sollte als erster Ford im Kurzformat auf allen Kontinenten verkauft werden – sogar in Nordamerika. Immerhin war der Fiesta die wichtigste Neuentwicklung seit dem legendären Modell T von 1908, wie Ford-Köln-Chef Bob Lutz bei der Premiere vollmundig verkündete. Weshalb es sich Konzernlenker Henry Ford II – noch kurz zuvor überzeugter Kleinwagen-Kritiker – nicht nehmen ließ, persönlich zu einer Probefahrt an den Rhein zu kommen. Eine Testfahrt, die er mit dem lobenden Urteil „good job“ abschloss.
Insgesamt 18,2 Millionen Exemplare weltweit ausgeliefert
Die Kleinwagenfans fanden Fords Verdikt offenbar noch untertrieben. Jedenfalls schickten sie den vom italienischen Designstudio Ghia inspirierten und von Ford-Designer Uwe Bahnsen finalisierten Fiesta auf einen beispiellosen Höhenflug, der ihn – nach deutscher Zählweise – über acht Fahrzeuggenerationen tragen sollte. Zunächst zog der blitzartig startende Ford Mitte der 70er-Jahre mit dem VW Golf gleich, als er nach nur 31 Monaten zum Club der Produktionsmillionäre zählte, anschließend wurde er Messlatte für alle Kleinwagen. Insgesamt 18,2 Millionen Exemplare wurden in knapp einem halben Jahrhundert weltweit ausgeliefert.
Die Namensfindung war Chefsache
Spannend fast bis zum letzten Moment blieb die Namensfindung für Fords Kleinsten, der zunächst unter dem Namen „Bobcat“ (Rotluchs) durch die Medien geisterte. Nach dem Luchs war allerdings bereits ein kompakter Mercury benannt und so suchte Henry Ford II nach weiteren Namensideen. Denn die Taufe jedes neuen Fahrzeugmodells war für ihn Chefsache. Wie er später erklärte, sei er dabei auf die Alliteration Ford und Fiesta gestoßen, für ihn eine perfekte Kombination. Zumal der neue Ford auch in einem eigens errichteten Werk im spanischen Valencia gefertigt werden sollte. Einziges Problem: Die Rechte für Fiesta lagen beim Erzrivalen General Motors (GM). Ein kurzer Anruf bei GM-Präsident Tom Murphy habe das Problem gelöst. Vielleicht wäre Murphy mit der Namensfreigabe weniger entgegenkommend gewesen, wenn er geahnt hätte, dass er so Taufpate des künftigen Königs der Kleinwagen wurde.
In Amerika unter den Erwartungen
Ob in Valencia für Südeuropa gebaut, in Dagenham für die Briten oder in Saarlouis und in Köln für weitere 70 Märkte, der Kleine wurde zur anhaltenden Fiesta für Ford. Allein der Export nach USA fuhr nicht die erhoffte Ernte ein, obwohl US-Medien den Ford als besten Import-Kleinwagen priesen: ein „Wundercar built in Germany“ für den „San Diego Freeway“ ebenso wie für die „high-speed-autobahn“. Es nützte nichts, 1977 war die erste Ölkrise bereits überwunden und so blieb der gegen VW Rabbit (Golf) und Honda Civic positionierte Sparmeister im Land der Straßenkreuzer chancenlos. Erfolgreicher sind dort erst seit 2010 Fiesta aus mexikanischer Produktion, die zusätzlich als klassischer Sedan angeboten werden.
1977 hatte Ford dank dem Fiesta das bis dahin beste Ergebnis aller Zeiten
In Deutschland hätte der Start dagegen nicht besser sein können, erlebte Ford dort doch dank des Fiesta 1977 das bis dahin beste Ergebnis aller Zeiten. Das 1979 startende Kölner Fiesta-Stammwerk gilt in Branchenkreisen als eine der bestausgelasteten Fabriken weltweit mit einer Exportquote von 80 Prozent. Einzigartig ist schließlich die künstlerische Krönung der Karriere des Weltautos: Der Aktionskünstler HA Schult gestaltete 1991 einen Fiesta als goldenen Vogel mit mächtigen Adlerschwingen, der seinen Horst auf dem Dach des Kölnischen Stadtmuseums fand.
Der Fiesta wurde ein Champion
Dabei sollte der Fiesta ursprünglich nur ein schicker Kleinwagen sein, der als erster Ford mit Frontantrieb, Quermotor und Heckklappe das Modellprogramm nach unten abrundete. Für diese Mission investierte der damals zweitgrößte Automobilkonzern der Welt insgesamt rund zwei Milliarden Mark, der größte Einzeletat, den Ford bis dahin ausgegeben hatte. Gut angelegtes Geld, denn der Fiesta wurde ein Champion, der höchst unterschiedliche Bestwerte aufstellte. Dies nicht nur mit Verkaufsrekorden, sondern auch auf einer einzigartigen 300.000-Kilometer-Hochgeschwindigkeitsfahrt, mit Motorsport-Meilensteinen wie der ersten ausschließlich für Damen ausgeschriebenen Rennserie, mit dem höchsten Frauenanteil bei Kleinwagenkäufern oder als spanisches Volksauto, das Seat von der Spitze verdrängte. Auch der Bau des Werkes in Valencia zahlte sich also aus und führte dazu, dass die meisten europäischen Massenmarken nachzogen und im damaligen Niedriglohnland Spanien ebenfalls Fabriken einrichteten.
Wettbewerber forderten den Fiesta heraus
Diese Wettbewerber forderte der Fiesta heraus mit Werbeslogans wie „la concurrente“ (der Konkurrent) in Frankreich, „una forte rivale“ (ein starker Rivale) in Italien und „Manchmal fällt doch ein Meister vom Himmel“ in Deutschland. Aber auch als Edel-Mini mit feiner Ghia-Ausstattung. Hinzu kamen kreative Concept Cars, wie die 1976 von der Ford-Tochter Ghia gezeichneten Prototypen Fiesta Corrida und Prima. Der Corrida überraschte als Flügeltüren-Coupé und der Prima als wandelbarer Pick-up mit Heckaufsätzen für Pritschenwagen, Coupé, Fastback und Kombi. Auch der Ghia Tuareg von 1978 als Crossover-Pionier und der Ghia Bebob von 1990 als Lifestyle-Pick-up waren Messestars. Sogar in Kleinserie gingen Cabriolet-Entwürfe nach dem Vorbild der Studie Tropic von 1980. Noch begehrter waren jedoch Sportversionen für die GTI-Fraktion.
Etwa 1981 der Fiesta XR2 mit 62 kW/84 PS. „Gehen Sie in Startposition zum Power Play“, forderte die Ford-Werbung auf, denn der XR2 verwies mit einem Sprintwert von zehn Sekunden für das Passieren der 100-km/h-Marke fast alle Wettbewerber von Fiat 127 Sport bis VW Polo GT auf die Plätze. Eine echte Alleinstellung besaß der Fiesta kurzzeitig durch einen 40 kW/54 PS leistenden Diesel, der den Ford 1983 zum kleinsten deutschen Sparmeister mit Selbstzünder machte.
Bestes Raumangebot seiner Klasse
Fast fünf Millionen mal lief die erste Fiesta-Generation vom Band, eine im September 1983 modifizierte Optik genügte, um den Dreitürer frisch zu halten. Erst nach 13 Jahren wurde eine Neukonstruktion fällig, die in größerem Format und auch als Fünftürer vorfuhr. Wie sein Vorgänger glänzte dieser bis 2002 angebotene Fiesta mit dem besten Raumangebot seiner Klasse. Zeitweise übrigens parallel als Mazda 121, die vorübergehenden Verflechtungen der Konzerne machten dies möglich. Eine richtige Familie gründete der Fiesta 1996: Zuerst kam der noch kleinere Ka, ein Jahr später das Sportcoupé Puma und 2002 folgten der Roadster Streetka und der Hochdachkombi Fusion, 2012 der Mini-Van B-Max.
Fiesta ST: Dynamischer Kleinwagen-Sportler
Kultstatus errang der vielseitige Fiesta allerdings nur in Sportversionen ST, die es auch in der 2017 lancierten aktuellen Generation gibt. Auch ihr dürfte die ein oder andere Träne nachgeweint werden: Der vergleichsweise zivil eingepreiste ST verschärfte die hohe Fahrdynamik des Standardmodells noch einmal deutlich und gilt als vielleicht dynamischster Kleinwagen-Sportler auf dem Markt.
Künftig E-Mobile und höherwertige Fahrzeuge
Für Ford ist der Fiesta-Abschied eine Zäsur. Die Marke will sich künftig auf E-Mobile und höherwertige Fahrzeuge konzentrieren. Einstiegsmodell ist ab 2023 der mit dem Fiesta eng verwandte Mini-Crossover Puma, den es ab 2024 auch in einer E-Variante gibt. Schon 2023 soll im Kölner Stammwerk ein kompakter Elektro-Crossover starten, der künftig das Kernmodell der Marke bilden wird. Die Einstellung der Fiesta-Produktion kommt vor diesem Hintergrund nicht überraschend. Der Wandel zum E-Autoanbieter ist aber nicht der einzige Grund für das Fiesta-Ende: Zuletzt waren die Neuzulassungen in Deutschland und Europa um zweistellige Raten gefallen.