Fahrbericht: Yamaha Ténéré 700
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SP-X/Marrakesch. Angetrieben wird die Reiseenduro weiterhin vom bekannten 689-Kubik-Zweizylinder, der nun in überarbeiteter Form mit 54 kW/73 PS aufwartet. Damit bleibt die Ténéré ein verlässlicher Begleiter – ob im Großstadtdschungel oder auf entlegenen Pisten.
Wenn Yamaha die Legenden der Rallye Paris-Dakar unter Führung des 14-maligen Dakar-Gewinners Stéphane Peterhansel auftreten lässt, wird’s ernst: Die erste große Überarbeitung der Reiseenduro Ténéré 700 steht an. 2018 als puristischer Gegenentwurf zu den immer schwerer werdenden Reiseenduros aufgelegt, kommt die erfolgreiche Japanerin nun mit zarten Elektronik-Beigaben ab Ende April für knapp 11.620 Euro in den Handel.

Ersten grosse Überarbeitung
Bei dieser ersten grossen Überarbeitung seit der Premiere bekommt die Ténéré nun Einiges, für dessen Fehlen sie gefeiert wurde, allem voran die elektronische Drosselklappenbetätigung samt Fahrprogrammen. Aber auch die Kritik bisheriger Ténéré-Eigner blieb nicht ungehört, was in praxisgerechten Änderungen wie einem flacheren Tank mit fixiertem Deckel und dem direkt vor dem Vorderrad platzierten lichtstärkeren Scheinwerfer mündet.

Ergonomie
Dazu fällt die Ergonomie fahrerfreundlicher aus: Die einteilige Sitzbank ist vorne schmaler, der Tank nach vorn gewandert, breitere Rasten geben mehr Halt und ein nach vorn gedrehter Kupplungsdeckel mehr Raum. All das bringt einen leichter erreichbaren Grund bei unverändert 87,5 Zentimeter Sitzhöhe. Weitere Maßnahmen, wie ein mehrteiliges Heck, ein besser geschützter Seitenständerschalter und die robustere Schalldämpferaufnahme tragen etwaigen Geländeeinsätzen Rechnung.

6,5 Zoll grosses Farb-TFT mit Joystick
Mit Einschalten der Zündung erwacht das konnektivitätsfähige 6,5 Zoll grosse Farb-TFT zum Leben, das von einem Joystick am linken Lenkerende bedient wird und zwei gut ablesbare Layouts bietet. Rechts am Lenker sitzt eine Modustaste, die zwischen Street- und Explorer-Fahrprogramm umschaltet – diese steuern die Gasannahme und sind mit der Traktionskontrolle gekoppelt, die separat abgeschaltet werden kann. Über das Menü sind neuerdings drei ABS-Einstellungen anwählbar: Vorn und hinten aktiv, nur hinten und komplett ausgeschaltet. Zur Schnellwahl dient eine dicke ABS-Taste links neben dem Cockpit, die auf langen Druck in den letzten gewählten ABS-Modus unter Umgehung des Menüs schaltet. Mithin hält sich der Zuwachs an kompliziert zu bedienender Elektronik in erträglichem Rahmen.

54 kW/73 PS
Mit markantem 270-Grad-Bollern bringt der Reihenzweizylinder seine unveränderten 68 Newtonmeter und gut 54 kW/73 PS in neuer Art zur Aufführung. Kleinere Modifikationen sorgen für gehaltvolleren Druck schon bei niedrigen Drehzahlen, das macht den Twin CP2 harmonischer als zuvor. Sanft fällt die Gasannahme im Explorer-Modus aus, berechenbar und exakt. Wer mehr möchte, wählt Sport und bekommt mehr Zugriff, aber immer noch gut kalkulierbar und ohne aggressiven Biss. Ausgeprägte Sportsgeister dürften hier womöglich mehr vertragen.

Ausgezeichnete Laufkultur und Vibrationsverhalten
Unabhängig davon sind Laufkultur und Vibrationsverhalten im geländetypischen Drehzahlbereich ausgezeichnet, nur bei ganz niedrigen Touren hackt es ein wenig. Mit dem versprochenen sparsamen Konsum von 4,3 Litern sind angesichts des 16-Liter-Tanks tourentaugliche Reichweiten von mehr als 350 Kilometer drin.
Optimiertes Getriebe
Leichtgängig und präzise verrichtet das optimierte Getriebe die Gangwechsel – ein deutlicher Fortschritt. Die neue Elektronik ermöglicht zudem einen bidirektionalen, allerdings aufpreispflichtigen Schaltassistenten, der nicht nur im Gelände einen echten Komfortgewinn darstellen dürfte.

Präzise und stabil
Stehend im Gelände gefahren, macht sich neben der ausgewogenen Motorcharakteristik die überarbeitete Ergonomie mit engem Knieschluss und inniger Verbindung für exakte Kontrolle bezahlt. Die Ténéré setzt alle Richtungsvorgaben mühelos um und gefällt durch ihr präzises wie stabiles Wesen. Enge Kehren meistert die Yamaha zielgenau und handlich, die gute Motorkontrolle erlaubt Könnern präzise Drifts am Kurvenausgang.
Voll einstellbare Federelemente
Fürs gute Fahrverhalten spielen die gelungene Verteilung des um 3 auf 208 Kilo angewachsenen Gewichts wie das aufgewertete Fahrwerk eine große Rolle: Neuerdings voll einstellbare Federelemente stellen großzügige 21 Zentimeter Federweg vorn und 20 Zentimeter hinten bereit, mit denen die Ténéré schweres Geröll und unangenehme Absätze locker wegschluckt. Mit satter Dämpfung versehen, schlagen weder Gabel noch Federbein in tiefen Auswaschungsrinnen oder nach beherzten Sprüngen durch.
Yamaha Ténéré 700 Rally
Einen Schritt weiter geht die motor- und elektronikseitig identische Ténéré 700 Rally. Ausschließlich in Sky Blue erhältlich, bieten hochwertigere Federelemente je 2 Zentimeter mehr Arbeitsweg vorn wie hinten, was in satten 25,5 Zentimetern Bodenfreiheit samt gewaltiger Geländetauglichkeit mündet. Den Offroad-Anspruch komplettieren leichte Titan-Fußrasten, der hohe Kotflügel vorn, ein robusterer Motorschutz sowie ein dezidiertes Rally-Thema im TFT. Die dicke Sitzbank sorgt mit größerem Abstand zu den Rasten für mehr Fahrkomfort, die Positionierung näher am Lenker bringt mehr Gefühl für eine noch bessere Kontrolle der 210 Kilo schweren Rally. Aber: Schwindelerregende 91 Zentimeter Polsterhöhe setzen eine gewisse Langbeinigkeit voraus.
Puristischer Reiseallrounder
Trotz der Zugabe moderner Elektronik bleibt die Yamaha Ténéré 700 dem ursprünglichen Gedanken vom puristischen Reiseallrounder weitgehend treu. Die Umsetzung der Fahrerkritik macht sie sogar noch zugänglicher. Mit 11.624 Euro (Schweiz ab CHF 11’490) hat das einen akzeptablen Preis, für die Rally-Version sind nochmal 1.200 Euro draufzulegen.
Yamaha Ténéré 700 – Technische Daten:
Flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, 689 ccm Hubraum, vier Ventile pro Zylinder, 54 kW/73,4 PS bei 9.000 U/min, 68 Nm bei 6.500 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kette
Fahrwerk: Stahlrohr-Brückenrahmen; USD-Telegabel ø 4,3 cm vorne, Zug-, Druckstufendämpfung und Federvorspannung einstellbar, 21 cm Federweg; Aluminium-Zweiarmschwinge, Zentralfederbein, Zug-, Druckstufendämpfung und Federvorspannung einstellbar, 20 cm Federweg; Speichenräder; Reifen Pirelli Scorpion Rally STR, 90/90-21 (vorne) und 150/70 R18 (hinten). 28,2 cm Doppelscheibenbremse mit Zweikolben-Schwimmsätteln vorne, 24,5 cm Einscheibenbremse mit Einkolben-Schwimmsattel hinten.
Assistenzsysteme: Zwei Fahrmodi (Sport, Explorer) Traktionskontrolle (abschaltbar), ABS (hinten und komplett abschaltbar)
Maße und Gewichte: Radstand 1,60 m, Sitzhöhe 87,5 cm, Gewicht fahrfertig: 208 kg, Zuladung 186 kg; Tankinhalt 16 Liter
Vmax: 190 km/h, Normverbrauch (WMTC, EU 5+): 4,3 l/100 km
Preis: 11.624 Euro (Schweiz ab CHF 11’490)