Fahrbericht: Microlino „Pioneer Series“
Lesezeit 4 Min. Wie bereits der Renault Twizy, soll auch der Elektrozwerg Microlino dazu beitragen, die Verkehrswende einzuleiten. Doch bisher sind die Chancen dafür eher mäßig.
SP-X/Mainz. 500 Reservierungen – das war die einzige Hürde, um grünes Licht für die Serienentwicklung des Microlino zu erteilen. 2016 war das. Damals wurde der Isetta-Klon als Konzept auf dem Genfer Autosalon enthüllt. Die Begeisterung der Medien und Zuschauer war groß, die 500 Kaufwilligen schnell zur Stelle. Seither haben die hinter dem Microlino stehenden Outboter-Brüder, deren Vater Ende der 1990er-Jahre einen Klapproller zum Verkaufsschlager machte, an der Serienentwicklung gearbeitet, die von mehreren Tiefschlägen begleitet war. Umso erstaunlicher ist es, dass die Schweizer Jungunternehmer es tatsächlich geschafft haben, ihr kleines Elektro-Baby nun auf den Markt zu bringen. Auf einer Fahrpräsentation in Mainz anlässlich des Deutschlandstarts konnten wir eine Runde mit der mittlerweile bestellbaren Serienversion drehen.
Ein Hingucker
Die taugt auch sieben Jahre nach der Genf-Premiere noch als Hingucker. Zumal auch Zweifarblackierung und schicke LED-Leuchten dem Spiel mit Vergangenheit und Moderne ein gewisses Etwas verleihen. Nicht nur auf uns macht der Zwerg Eindruck. Wo man unterwegs ist, zieht der Eintürer die Blicke auf sich. Wo man aussteigt, stellen Passanten neugierige Fragen. Eine Frage wird allerdings nicht gestellt: Ist das ein Auto? Angesichts von Lenkrad, vier Rädern und einer vor Wind und Witterung schützenden Karosserie wird das vermutlich als selbstverständlich vorausgesetzt. Formal handelt es sich jedoch um einen Vertreter der elektrischen Leichtbauklasse L7e, die abzüglich Batterie nur 450 Kilogramm wiegen darf. Dass sich angesichts des niedrigen Gewichts längst nicht alle Ingenieursträume in die selbsttragende Alukarosserie des Microlinos gießen lassen, wird uns auf der Testrunde schnell klar.
12,5 kW/17 PS
Lenkrad- oder Gurtverstellung? Klimaanlage? Airbags, ESP? Elektrische Fensterheber? Ein Microlino mag schön anzusehen sein, Pkw-üblichen Komfort oder Sicherheit bietet er nicht. Auch beim Antrieb dürfen die Ansprüche nicht all zu hoch sein, denn 12,5 kW/17 PS sind trotz Leichtbau keine Offenbarung. Im Mainzer Stadtverkehr konnten wir mitschwimmen, doch wie mit einem Fiat 500e keck in die nächste Lücke durchstechen, ging nicht. Auch nicht, wenn man den „Turboknopf“ drückt.
Wendig und kompakt
Dafür erlebten wir den 2,50 Meter kurzen Eintürer als wendig und kompakt. Bei höherem Tempo, immerhin 90 km/h sind möglich, allerdings auch ganz schön laut. Und ein wenig hoppelig. Angesichts der L7e-Auslegung und dem Gewichtskorsett ist ein feinhühliges Fahrwerk mit aufwendig konstruierten Mehlenkerachsen oder eine große Menge Dämmmaterial natürlich illusorisch.
Nach vorne öffnende Tür
Doch der Zweisitzer hat auch Charme. Allein die auf Knopfdruck nach vorne öffnende Tür, über die man sich beim Einsteigen zunächst aufrecht in den offenen Innenraum stellt, um sich anschließend mit drehenden Oberkörper hinters Lenkrad zu fädeln, ist eine Show. Dann gibt es einige liebevolle Details innen wie eine kleine Touchdisplay-Bedienleiste, USB-Ports oder einen Fahrwahldrehknauf. Schick ist auch das optionale Stoffschiebedach, welches sich mit einem Handgriff öffnen lässt. Darüber hinaus bietet der Zwerg zwei erwachsenen Gästen auf einer in Längsrichtung verschiebbaren Sitzbank ausreichend Platz und einen außerdem geräumigen Kofferraum.
Umweltfreundliche Mobilitätsalternative
Vor allem aber soll der Microlino eine umweltfreundliche Mobilitätsalternative sein. Bereits sein niedriges Gewicht verdeutlicht den geringen Ressourcenbedarf. 50 % weniger Bauteile werden zudem benötigt, sagen die Outboter-Brüder. Zudem ist der Energiebedarf gering. Der 6 kWh kleine Akku der Basisversion soll 90 Kilometer weit tragen, die mit 10,5 kWh immerhin 177 und ein später verfügbarer 14-kWh-Akku sogar bis zu 250 Kilometer. Mit deutlich unter 7 kWh/100 km verbraucht der an Haushaltssteckdosen aufladbare Leichtbau-Stromer nur etwa halb so viel wie ein sparsames E-Auto. Angesichts von Energie- und Klimakrise ist das in der Schweiz erdachte und in Italien gebaute Micromobil also eigentlich das richtige Konzept zur richtigen Zeit.
Nicht ganz günstig
Damit betritt der Microlino allerdings nicht Neuland. Schon 2012 sollte Renaults Twizy als Ökoalternative den urbanen und suburbanen Raum erobern und lebenswerter machen. Gekommen sind hingegen noch mehr SUV. Der Microlino bietet mehr Komfort und mehr Stil, kostet allerdings auch mehr als ein Twizy. Zunächst 22.690 Euro in der von uns getesteten Version „Pioneer Series“ mit mittlerer Batterie, von der 400 Exemplare für Deutschland vorgesehen sind. Ende 2023 kommt dann der „Urban“ mit kleinem Akku für 17.690 Euro. Anders als Elektro-Pkw erhält der Microlino keine Förderung, weshalb er als Kleinserienfahrzeug preislich mit den „Großen“ aktuell nicht mithalten kann. Sollten Autos wie der Microlino in die Förderung kommen und diese für große Elektro-Pkw entfallen, könnte sich das Blatt wenden.
Micrcolino „Pioneer Series“ (10,5 kWh) – Technische Daten:
Kleinst-Elektrowagen der L7e-Klasse mit einer Tür; Länge: 2,52 Meter, Breite: 1,47 Meter, Höhe: 1,50 Meter, Radstand: 1,57 Meter, Kofferraumvolumen: 230 Liter
Antrieb: Permanentmagnet-Synchronmaschine an der Hinterachse; 12,5 kW/17 PS, maximales Drehmoment: 89 Nm , 0-50 km/h: 5 s, Vmax: 90 km/h, Normverbrauch (WLTP) 5,9 bis 6,6 kWh/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 0 g/km
Preis „Pioneer Series: ab 22.690 Euro (Schweiz CHF 20.990)
Preis Basisversion „Urban“: ab 17.690 Euro (Basisversion Schweiz ab CHF 14.990)