Chevrolet Silverado: Unterwegs im Wilden Westen
Wer hinter Denver in die Rocky Mountains fährt, der erlebt Amerika von seiner vielleicht schönsten Seite. Erst recht, wenn er mit einem riesigen Pick-up wie dem Chevrolet Silverado unterwegs ist. Denn wohin passt der legitime Erbe des Planwagens besser als in die großen Plains und die Berge dahinter?
SP-X/Denver. Nirgendwo ist Amerika amerikanischer als in seiner Mitte. Wer das Wesen dieses Landes ergründen will, der muss deshalb dorthin fahren, wo der Westen noch wild ist und am besten eine Runde durch Colorado drehen. Und was für ein Auto würde dazu besser passen als ein großer Pick-up, der den Amerikanern zurecht als legitimer Erbe jener Planwagen gilt, mit dem diese Gegenden hier im Laufe des 19. Jahrhunderts besiedelt wurden.
S-Klasse des Wilden Westens
Dabei fällt die Wahl heute auf den Chevrolet Silverado, der in der Top-Version „High Country“ so etwas ist wie die S-Klasse des Wilden Westens. Denn nicht nur, dass der 5,90 Meter lange Koloss für immerhin 65.000 Dollar viel Platz für Kind und Kegel bietet und allein das Staufach unter der Mittelarmlehne mehr Drinks und Snacks fasst, als man auf den ersten 1.000 Meilen durch die Rocky Mountains verputzen kann. Dazu gibt es noch jede Menge Lack und Leder, eine Google-Navigation, die auch Touristen zu Locals macht, und Sessel so bequem, dass man dieses Road-Movie in Überlänge wohlig wegkuschelt und gar nicht mehr aussteigen will. Vor allem aber gibt es für den High Country einen Motor, der perfekt zum Auto passt und zur Gegend, durch die es fährt: Ein V8 mit stattlichen 6,2 Litern Hubraum, 420 PS und 623 Nm, die von einer 10-Gang-Automatik überraschend feinfühlig wahlweise an die Hinterachse oder an alle vier Räder sortiert werden.
Stolz und erhaben durch die Prärie
Das mag man für überflüssigen Luxus halten, genau wie den Achtzylinder in der S-Klasse oder den V12 im Maybach. Doch der Motor passt. Erstens, weil er dem Giganten jene Souveränität verleiht, die aus einem Bullen einen Buffalo machen, der stolz und erhaben durch die Prärie schreitet, statt hektisch übers Feld zu hetzen. Und zweitens, weil die erste Bewährungsprobe schon ein paar Kilometer westlich von Denver wartet, wenn am Ende der Great Plains wie eine schier unüberwindbare Mauer die Rocky Mountains aus dem Boden wachsen. Auf den Spuren der Siedler geht es durch das Land der Cowboys und Indianer oder um politisch korrekt zu sein durch das Land der aus der alten Welt Immigrierten und der indigenen Ureinwohner hoch hinauf zur Continental Divide, jenes Gebirgskammes, der Amerika der Länge nach teilt und für die Geographen den Osten vom Westen trennt.
Durch weite Täler und enge Schluchten
Als hätte man sämtliche Mittelgebirge einfach herausgeschnitten und führe von der Lüneburger Heide direkt in die Hochalpen, schraubt sich die vierspurige I-70 höher und immer höher in das Gebirge. Während sich viele andere Interstates ziehen wie Kaugummi und etwa so spannend sind wie die 214. Folge des Denver-Clans, ist diese Magistrale auf einigen Abschnitten fast schon atemberaubend: Als spiele man in einem Road-Movie in Cinemascope und Technicolor, fährt man durch weite Täler und enge Schluchten und am Horizont grüßen immer ein paar der über 50 Berge in Colorado, die im erlauchten Club der 14.000er sind – zwar nur in Feet, aber mehr als 4.200 Meter sind ja auch nicht schlecht.
Auf einer Meereshöhe von 3.400 Metern
Während das Thermometer fällt und fällt und sich morgens selbst im Hochsommer ein feiner Eisfilm auf die Scheiben legt, zählt der Höhenmesser nur in eine Richtung: aufwärts. 1.600 Meter sind es in Denver, am Vail Pass stehen 3.250 Meter auf dem Monitor. Und selbst das ist nicht der höchste Punkt der Route. Den erreicht man schon ein paar Meilen vorher ganz unscheinbar hinter dem Eisenhower-Tunnel, der immerhin knapp drei Kilometer lang ist und mit einer Meereshöhe von 3.400 Metern viele Jahre als höchstgelegener Tunnel der Welt galt.
Doch die Höhe allein ist nicht das einzig imposante auf der Tour nach Westen. Immer wieder wechselt der Blickwinkel: Mal ist das Panorama so weit, dass sich vor der Frontscheibe schier endlose Hügelzüge querlegen, und mal verengt sich die Straße so sehr, dass man fast die Spiegel einklappen möchte. Besonders spektakulär ist der Glenwood Canyon – 16 Meilen lang und so eng, dass die Bahnlinie, der hier noch überraschend schmale Colorado-River und die vier Fahrspuren der Autobahn kaum nebeneinander passen und deshalb übereinandergestapelt wurden.
Der „Western“ ist hier noch lebendig
Zwar sind die großen Trecks nach Westen schon lange her, doch der „Western“ ist hier noch lebendig. Dörfer wie Frisco sehen aus, als würde noch immer mittags um Zwölf eine Horde Banditen zum „High Noon“ hereinreiten. Oberhalb von Denver führt der Lariat-Loop am Grab des Revolver-Helden Buffalo Bill vorbei, in Glenwood Springs hat der trunksüchtige Doc Holliday sein Leben in den damals noch ziemlich sündigen Schwefelquellen ausklingen lassen, in Telluride steht noch immer das Gebäude, in dem Butch Cassidy seinen ersten Bankraub verübt hat, und Kaschemmen wie der True Grit Saloon in Ridgeway kommen einem nicht umsonst verdächtig bekannt vor. Schließlich ist hier in jedem zweiten Schankhaus schon ein Western gedreht wurde. Nicht minder präsent sind Ära und Aura der Goldsucher: An den Hängen kleben Mienen, an jedem zweiten Bachlauf können Touristen im Sommer schürfen und in Ortschaften wie Idaho Springs oder Leadville halten sie die Bergbau-Tradition mit Museumsstollen am Leben.
Durchs Colorado National Monument
Doch so eindrucksvoll die I-70 auf den 250 Meilen zwischen Denver und Grand Junction auch sein mag, ist sie nur der Anfang des Abenteuers. Schließlich wartet am Ende die Panoramastraße durchs Colorado National Monument, das Nationalparks wie dem Bryce Canyon in nichts nachsteht. Wenn sich zwei Stunden weiter südlich vor der großen Frontscheibe wie auf einer Leinwand die tiefen Schluchten des Black Canyon of the Gunnisson ausbreiten, verliert der hoffnungslos überlaufene Grand Canyon viel von seinem Reiz. Was sie da in Arizona können, das können sie in Colorado schon lang – zumal es schließlich der Colorado River war, der diese Schlucht gegraben hat. Und wenn man in der Abenddämmerung nach einem schier endlosen Aufstieg von Montrose über Ridgeway und Placerville endlich in Telluride ankommt und am Ende des Tals plötzlich vor einer mehrere tausend Meter hohen Wand steht, wirken selbst die dramatischsten Alpentäler irgendwie sanft und seicht.
Viele Offroad-Pisten locken
Und anders als daheim, hat man hier sehr viel mehr Möglichkeiten: Entweder kämpft man sich mit dem Pick-up allem Glanz und Gloria zum Trotz über eine der vielen Offroad-Pisten, die hier ganz legal zu Geländespielen locken und lernt dabei, dass der Laster bei allem Luxus auch was leisten kann. Oder man genießt das Abenteuer mit Muskelkraft und freut sich dran, dass man auf der riesigen Pritsche jedes, aber auch wirklich jedes Sportgerät in die Highlands karren kann. Oder dass man nach einer langen Wanderung nirgends besser ausruhen kann als beim Sonnenbad auf der Ladefläche, während durchs offene Heckfenster John Denvers Colorado-Hymne „Rocky Mountain High“ die Stimmung perfekt macht.
„Top of the Rockies“
Für die Rückfahrt empfiehlt sich der Highway 24, der nicht umsonst den Beinamen „Top of the Rockies“ trägt. Schließlich fällt er nur selten unter 9.000 Fuß und führt über ein paar spektakuläre Pässe wie den Freemont Pass. Vor allem folgt er einem Kamm von über einem halben Dutzend 14.000ern – darunter auch der Mount Elbert, der mit 14.440 Fuß oder 4.401 Metern buchstäblich den Höhepunkt jeder Colorado Rundfahrt markiert – denn weiter geht es nirgends hinauf in den Rocky Mountains.
Nächstes Jahr auch vollelektrisch
Wieder unten im Tal und in den Hochhausschluchten von Denver wirkt der Silverado zwar wie ein Relikt aus einer anderen Ära, selbst wenn er damit nicht alleine ist. Hier wie fast überall in den Flächenstaaten der USA stellen Pick-ups das Gros der Fahrzeugflotte. Doch der Eindruck täuscht. Denn der Bestseller ist auf der Höhe der Zeit – nicht nur, weil er größere Bildschirme bietet als manches Wohnzimmer und nächstes Jahr auch voll elektrisch kommt. Auch, weil zumindest das Flaggschiff der Flotte jetzt ebenfalls mit Supercruise ausgerüstet ist. Das ist Detroits Antwort auf den vermeintlichen Autopiloten von Tesla und erlaubt es dem Fahrer, die Hände in den Schoß zu legen und sich sogar kurz nach hinten umzudrehen oder den Pulli auszuziehen. Anders als beim so genannten DrivePilot von Mercedes bleibt der Fahrer zwar immer in der Verantwortung, weshalb Kameras auch ständig seine Aufmerksamkeit überwachen. Und das System funktioniert obendrein nur auf speziell digitalisierten Straßen, deren Länge GM aber auf mittlerweile 400.000 Meilen beziffert. Doch dafür bietet es maximale Entlastung auf Stadtautobahnen im Dauerstau oder langweiligen Touren über schnurgerade Highways – und auch davon haben sie in Colorado viele zu bieten. Denn kaum ist man von den Rockies wieder runter, beginnt die Prärie und der Straßen laufen geradeaus bis zum Horizont.