Autoshow Peking: Fünf Premieren, die wir haben wollen
Lesezeit 4 Min. Dutzende Premieren machen die Autoshow in Peking zur wichtigsten Motormesse der Welt. Und die interessantesten Neuheiten kommen immer seltener aus Deutschland, sondern zumeist aus China. Ein paar davon hätten wie lieber jetzt als gleich auch bei uns. Fünf Beispiele.
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SP-X/Peking. Dreiste Plagiate, schlechte Kopien, krude Karossen – früher war eine Rundgang über die chinesischen Autoshows eine Lachnummer. Doch wenn die Vorstände der deutschen Hersteller mit ihrer Entourage durch die Hallen ziehen, bleibt ihnen neuerdings immer öfter das Lachen im Halse stecken. Denn die Chinesen haben mit einem unglaublichen Tempo aufgeholt und sind den einstigen Platzhirschen aus dem Ausland in vielen Disziplinen längst enteilt. Nicht nur ihre Batterien sind bisweilen deutlich besser als bei den Deutschen, ihr Entwicklungstempo und natürlich ihr Infotainment. Selbst das Design ist gereift und entsprechend gefällig. Ein paar der Peking-Premieren würden sich deshalb aus ganz unterschiedlichen Gründen auch bei uns gut machen. Die fünf wichtigsten im Kurzportrait.
Xiaomi SU7: Neuer Anschluss unter dieser Nummer
Bislang hat Xiaomi vor allem Smartphones gebaut und es mit rund 150 Millionen Geräten im letzten Jahr zur Nummer drei gebracht. Jetzt allerdings will sich der Elektronik-Gigant auch als Autobauer beweisen und hat dafür die Limousine SU7 lanciert, die ein wenig aussieht, wie ein zu heiß gewaschener Taycan und dem Porsche auf dem Papier sogar fast das Wasser reichen kann. Nicht umsonst beschleunigt in weniger als drei Sekunden auf Tempo 100 und schafft 265 km/h. Der größte der verfügbaren Akkus hat gute 100 kWh und soll für bis zu 830 Kilometer reichen. Und trotzdem bewahrt Xiaomi bei den Preisen Bodenhaftung und startet mit umgerechnet rund 30.000 Euro eher auf dem Niveau eines Tesla Model 3 statt eines Taycan. Kein Wunder, dass der Wagen in China auf Monate ausverkauft ist und Xiaomi mit der Produktion nicht hinterherkommt. Solange sich das nicht ändert, dürfte es auch mit dem Export schwierig werden.
Nammi EV1: Schnäppchen mit Charme
Während sie in Wolfsburg und Paris am Volksstromer für unter 25 000 Euro schier verzweifeln und einen Preis unter 20 000 Euro in weite Ferne rücken, beweisen die Chinesen, mit welchen spitzen Stift sie rechnen können – zum Beispiel beim Nammi EV1 aus dem großen Dongfeng-Regal. Schließlich kostet der elektrische Kleinwagen daheim umgerechnet gerade mal 10.000 Euro und wirkt trotzdem nicht wie eine spartanische Sparbüchse. Das Design ist gefällig, das Format entspricht Corsa & Co und die Eckdaten des Antriebs lassen eine gewisse Alltagstauglichkeit vermuten: Es gibt knapp 100 PS für bis zu 140 km/h und einen 42 kWh großen Akku, der im besten Fall für 400 chinesische Normkilometer reichen soll. Selbst wenn der Preis noch einmal 50 Prozent steigen und die Reichweite um 100 Kilometer sinken sollte auf dem Weg nach Europa, könnte der Nammi EV1 den Markt bereichern – und wenn er nur als Rechenexempel für VW, Citroen oder Renault dienen würde.
Denza Z9: Shenzhen statt Stuttgart
Die ersten Erlkönig-Fotos zeigen ihn ausgerechnet in Stuttgart, gezeichnet hat ihn der ehemalige Chefdesigner von Audi Wolfgang Egger und ein paar Prozent Mercedes stecken auch noch in der Firma. Doch der elegante Gran Turismo ist weder ein Shooting Brake im Zeichen der Ringe, noch der Nachfolger des Panamera oder ein weiterer Tourer von AMG.
Was sich da mit eleganten Linien und kräftigen Hüften 5,20 Meter lang ins Rampenlicht der Messe reckt, ist der Denza Z9, der künftig das Modellprogramm der vornehmen BYD-Tochter krönen und dafür das beste aus der alten und der neuen Autowelt vereinen soll. Nicht umsonst gibt es zum schmucken Design und dem vornehmen Ambiente auch einen Plug-In-Hybrid mit rund 1.000 PS und Fahrleistungen auf Porsche Niveao. Und vor allem gibt es eine große Heckklappe, die das Original beim Generationswechsel eingebüßt hat.
iCar V23: Es g-eht auch eine Nummer kleiner
Während Mercedes in Peking die greise G-Klasse unter Strom setzt und damit das Gewissen der sehr viel Besserverdiener erleichtert, zeigt die Cherry-Tochter iCar, wie das gleiche Konzept zwei Nummern kleiner funktioniert: Mit dem V23. Der Offroader sieht aus wie eine zu heiß gewaschene G-Klasse, misst gerade mal 4,20 Meter und steckt voll mit Hightech-Elektronik aus dem Hause Xiaomi und Texas Instruments. Die CATL-Akkus haben rund 80 kWh und reichen für 500 Kilometer. Zwar arbeitet auch Mercedes ganz offiziell an einem elektrischen Baby-G, doch haben die Chinesen zwei entscheidende Vorteile: Ihr Auto könnte nicht erst zum Ende der Dekade, sondern schon im nächsten Jahr auch bei uns auf die Straße kommen und der Preis ist wahrscheinlich nicht einmal halb so hoch.
Zeekr Mix: Raum ist Reichtum
Gegen sie wirken selbst S-Klasse oder Siebener irgendwie beengt: Wer in China was auf sich hält und viel im staugeplagten Stadtverkehr geshuttelt wird, der nimmt keine Prunklimousine, sondern einen Van – erst recht einen elektrischen mit seiner raumeffizienten Skateboad-Plattform. Deshalb dreht sich auf der Autochina auf jedem zweiten Stand ein Raumkreuzer wie der Zeekr Mix, der mit großzügigen Sesseln möbliert ist und den Insassen mit riesigen Bildschirmen und aufwändigem Infotainment die Zeit verkürzt. Zwar stehen viele dieser Vans vom Denza D9 bis zum LiAuto Mega in den Startlöchern für den Export. Doch nachdem Zeekr schon Händler hat bei uns, könnten sie damit doch den Anfang machen. Schließlich machen auch bei uns die Staus keinen Spaß.
Dieser Beitrag stammt von Benjamin Bessinger, Redakteur für das Redaktionsbüro SPS Spotpress Services GmbH