Art Cars: Ist das Kunst oder kann man die auch fahren?
Obwohl das Autofahren manchmal eine Kunst für sich sein kann, liegt dies oft eher an den Verkehrsbedingungen als am Kunstmarkt. Es gibt jedoch eine Kategorie von Autos, die mehr Kunstwerk als gewöhnliche Fortbewegungsmittel sind.
SP-X/Köln. Zumindest ihrem Selbstverständnis nach sind die allermeisten Autodesigner echte Künstler. Doch bisweilen brauchen sie offenbar einen Kick für ihre Kreativität und holen sich deshalb jetzt wie Mercedes Chief Creative Officer Gorden Wagener beim Project „Mondo G“ mit dem Modelabel Moncler für die Fashion Show in London mehr oder minder berühmte Partner aus Mode oder Malerei ins Boot. Seit Jahrzehnten entstehen auf diese Weise immer wieder so genannte Art-Cars, die je nach Geschmack faszinieren, irritieren oder im besten Fall sogar den Kaufreiz wecken. Denn einige davon schaffen es von der Galerie sogar in die Garagen.
Mercedes G-Klasse Project Mondo G von 2023
Das jüngste Auto aus dieser Gattung wurde jetzt zur London Fashion Week enthüllt und basiert auf der Mercedes G-Klasse. Ursprünglich für den Matsch entwickelt, macht der Vierkant aus Graz dafür auf Mode und lässt sich vom Hightech-Label Moncler einkleiden. Während das betagte Cabrio des Geländewagens stolz seine Ecken und Kanten trägt und über die Jahre ein wenig stumpf geworden ist, haben die Kreativen silbern schillernde Ballonreifen aufgezogen und das Verdeck durch einen riesigen, wolkenweichen und hübsch fluffigen Anorak mit jenem Puffer-Muster ersetzt, das Moncler-Jacken zum Must-Have in St. Moriz, Kitzbühel oder Aspen macht. Neu ist das Konzept freilich nicht. Denn schon vor ein paar Jahren hat sich Gorden Wagener mit dem Modemacher Virgil Abloh zusammengetan und ebenfalls eine sehr spezielle G-Klasse entworfen, bevor die beiden ein ganz eigenes SUV-Coupé für Maybach gebaut haben. Nachdem der überraschende Tod des Designers weitere Projekte vereitelt hat, dürfen Mode- und Mercedes-Fans diesmal auf mehr hoffen, deutet Vertriebschefin Britta Seeger an: „Die erste Zusammenarbeit mit Moncler eröffnet neue Horizonte und ein Potenzial an Möglichkeiten für mehr Neuigkeiten, die bald folgen werden.“
BMW 3.0 CSL von 1975 – die Mutter aller Art Cars
Warhol, Stella, Rauschenberg, Lichtenstein, Koons – wer etwas auf sich hält in der Kunstszene, der hat nicht nur Leinwand bemalt oder Beton, sondern auch die Karosserie eines BMW. Denn kaum ein Hersteller hat so viele Art Cars auf den Weg gebracht wie die Bayern. Die Idee dafür kam allerdings nicht aus dem Unternehmen, sondern vom französischen Rennfahrer Hervé Poulain, der sich so mehr Aufmerksamkeit im Starterfeld der 24 Stunden von Le Mans erhoffte und seinen BMW 3.0 CSL 1975 vom amerikanischen Bildhauer Alexander Calder lackieren ließ. Zwar erreichte Startnummer 93 nicht das Ziel, doch die Resonanz auf das bunte Calder-Mobil war überragend und dem rasenden Einzelstück wurde eine Routine, die bis heute Rennfahrer, Kunstszene und Petrolheads regelmäßig in Verzückung versetzt.
Ford Fiesta „Goldener Vogel“ von 1989
Eine Liebeserklärung an das Auto war seine Installation nicht gerade. Denn als der Aktionskünstler HA Schult im Frühjahr 1989 unter dem Leitmotiv „Fetisch Auto“ ein knappes Dutzend künstlerisch verfremdeter Fiesta im Stadtgebiet verteilte, war das durchaus als Kritik am Kult ums Goldene Kalb zu verstehen. Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb erzielte er damit jede Menge Aufmerksamkeit, die Ford nur recht sein konnte. Schließlich fiel die Aktion zusammen mit dem Debüt der dritten Generation des Kölner Kleinwagens. Dabei flog der Fiesta um den Dom, schipperte auf dem Rein und parkte in Marmor vor dem Werk. Aber im Kopf blieb vor allem jenes golden lackierte und mit fünf Meter großen Flügeln bestücke Exemplar, das auf dem Stapelhaus in der Kölner Altstadt geparkt wurde. Während die anderen Kleinwagen-Kunstwerke nach der Aktion an Museen und Sammler in der ganzen Welt gingen, ist der „Goldene Vogel“ nur umgesetzt worden und thront mit kurzen Unterbrechungen seit mehr als 30 Jahren über der Stadt und zählt heute zu den berühmtesten Denkmälern Kölns. Als solches wird den Fiesta wohl sogar überdauern. Denn während das Kunstwerk in der Skyline seinen Platz für die Ewigkeit hat, geht die Produktion des Kleinwagens in diesem Sommer unweigerlich zu Ende.
Smart „Forjeremy“ von 2011
Wenn Jeremy Scott etwas macht, dann richtig. Oder zumindest so, dass alle Welt hinschaut. Denn kurz nachdem das Enfant Terrible der amerikanischen Pop-Art- und Modeszene Lady Gaga in ein Kleid aus Fleischlappen gesteckt hat, ist er im Herbst 2011 auch dem Smart zu Leibe gerückt. noch den Smart zur Lachnummer. Für Autoshow in Los Angeles hat er dem Bonsai-Benz buchstäblich Flügel verliehen: Riesige Schwingen mit rotglühenden Federn zieren das Heck der Studie „Forjeremy“, der so auf dem Walk of Fame selbst den größten Hollywood-Stars die Schau stiehlt. Und das Gefieder ist längst noch nicht alles. Um den Glamour-Faktor noch ein wenig zu erhöhen, hat Scott die Sicherheitszelle und die wichtigsten Anbauteile des mattweißen Wagens in Hochglanz verchromen lassen und auch innen ein paar hübsche Kontraste gestaltet. Zwar ist das Messeauto ein Einzelstück geblieben, das mittlerweile irgendwo in den Stuttgarter Museumsgaragen parkt. Doch mit gestutzten Flügeln und dem Segen der Zulassungsbehörden wurde der Winzling im Jahr drauf als Kleinserie auch an Kunden ausgeliefert.
BMW 8er Edition The 8 X Jeff Koons von 2022
Einmal ist keinmal – haben sie offenbar bei BMW gedacht und den Pop-Art Künstler Jeff Koons im letzten Jahr zum zweiten Mal mit einem Art Car beauftragt. Anders als der M3 GT2 von 2010 ist Koons’ jüngstes Artefakt kein Rennwagen, sondern basiert auf einem 850 Gran Coupé. Und statt ihn nur einmal zu bauen, hat BMW in jeweils knapp 300 Stunden zusätzlicher Handarbeit gleich 99 Exemplare des in prallen Comicfarben gestalteten Flachmanns auf die Räder gestellt. Zwar war der Preis mit 350.000 Euro fast dreimal so hoch wie beim Serienmodell, doch dem Erfolg hat es nicht geschadet: Die Kleinserie war im Nu ausverkauft – und könnte sich als gutes Investment erweisen. Schließlich hat eine Koons-Skulptur im Mai 2019 stolze 91 Millionen Dollar erzielt und gilt seitdem als das teuerste Werk eines noch lebenden Künstlers.