Warum chinesische Automarken in Deutschland (noch) keinen Durchbruch schaffen
Lesezeit 5 Min. Das Angebot wächst und die Produktsubstanz ist besser denn je. Trotzdem tun sich die Newcomer vor allem aus China schwer mit der Eroberung des deutschen Automarktes. Warum eigentlich?
Chinesische Automarken in Deutschland: Mehr Modelle, aber wenig Marktanteil
SP-X/Köln. Zahlreiche neue Marken aus China wie MG, BYD oder Nio drängen mit großem Aufwand und innovativen Elektroautos nach Deutschland. Doch trotz aggressiver Produktstrategie und wachsendem Portfolio liegt ihr gemeinsamer Marktanteil bei unter zwei Prozent (Stand: H1 2025). Warum bleiben die großen Erfolge bislang aus?
Händlernetz als größte Einstiegshürde
Ein zentrales Problem ist laut Berylls-Strategieberater Arthur Kipferler der Vertrieb. Während Onlinehandel für Konsumgüter boomt, bleibt der Autokauf ohne physischen Händler schwierig. Für ein wirtschaftlich tragfähiges Händlernetz benötigen Marken rund 200–300 Fahrzeugverkäufe pro Jahr und Standort – ein Volumen, das Newcomer aktuell kaum liefern können.
Alte Netzwerke – neue Barrieren
Auch strukturell tun sich die chinesischen Anbieter schwer:
Händler in Deutschland sind häufig langjährig an bestehende Hersteller gebunden
Netzbereinigungen schaffen zwar theoretisch Platz, doch nicht alle Standorte sind strategisch attraktiv
Viele Händler zögern, neue Marken mit unsicherer Zukunft aufzunehmen
Probleme im Flottenmarkt: Liefertreue, Ersatzteile, Restwerte
Rund zwei Drittel der Neuzulassungen in Deutschland entfallen auf Groß- und Flottenkunden. Diese erwarten:
planbare Lieferzeiten
garantierte Ersatzteilverfügbarkeit
hohe Restwerte
Viele chinesische Marken können diese Anforderungen (noch) nicht zuverlässig erfüllen. Lieferengpässe, etwa bei Windschutzscheiben oder Karosserieteilen, führen zu langen Standzeiten – ein Ausschlusskriterium für Fuhrparkmanager.
Unsicherheit über Restwerte & Rückkauf
Für Flottenkunden zählen nicht nur Anschaffungskosten, sondern auch die Restwertentwicklung. Neue Marken ohne etabliertes Service-Netz und mit ungewisser Zukunft sind ein Risiko. Selbst wenn Hersteller wie MG oder Nio langfristig überleben, bleibt unklar, ob Rückkäufe zu akzeptablen Konditionen erfolgen.
Tesla als Vorbild – kleinere Länder als Testmärkte
Warum versuchen es trotzdem so viele neue Marken? Tesla hat es vorgemacht – mit Kapital, Ausdauer und klarer Strategie. In kleineren Märkten wie Norwegen, der Schweiz oder Benelux gelingt der Einstieg leichter:
kaum eigene Autoindustrie → weniger Markenschutz
hohe Förderungen für E-Mobilität
Verkauf über Importeure → gleiche Ausgangslage wie etablierte Hersteller
Fazit: Der deutsche Markt bleibt ein harter Brocken
Der Markteintritt in Deutschland ist mit hohen strukturellen, wirtschaftlichen und logistischen Hürden verbunden. Wer langfristig bestehen will, braucht Geld, Geduld und ein funktionierendes Händler- sowie Flottenkonzept. Oder wie Kipferler sagt:
„Steter Tropfen höhlt den Stein – aber ein dicker Stein braucht eben länger.“
| Kriterium | Etablierte Automarken | Neue chinesische Automarken |
|---|---|---|
| Marktanteil in Deutschland | Hoch (z. B. VW, BMW >10 %) | Gering (<2 % gesamt, MG am stärksten) |
| Händlernetz | Flächendeckend, historisch gewachsen | Kaum ausgebaut, oft Pilot-Stores |
| Restwertentwicklung | Gut kalkulierbar, Leasing-geeignet | Unsicher, Risiko bei Rücknahme |
| Ersatzteilversorgung | Schnell & zuverlässig | Oft Lieferprobleme |
| Vertrauen & Markenimage | Stark, hohe Kundenbindung | Wenig bekannt, Skepsis vorhanden |
| Flotten- & Gewerbekundenanteil | Sehr stark | Schwach bis nicht etabliert |
| Lokalisierung & Zölle | Produktion oft in der EU | Importabhängig, zollpflichtig |
| Technologie & Software | Teilweise Rückstand | Modern, OTA-Updates integriert |
| Produktdesign | Zielgruppenorientiert | Progressiv, auffällige Designs |
| Preis-Leistungs-Verhältnis | Teurer, aber bewährt | Attraktiv, viel Ausstattung |
Häufig gestellte Fragen zum Markteintritt chinesischer Automarken
Warum haben chinesische Automarken in Deutschland geringen Marktanteil?
Hauptgründe sind ein mangelndes Händlernetz, Lieferschwierigkeiten, niedrige Restwerte und fehlende Flottenstrategie.
Wie wichtig ist ein Händlernetz für neue Marken?
Sehr wichtig: Ohne ausreichend Verkaufsstandorte können weder Privat- noch Flottenkunden effizient bedient werden.
Warum scheitern viele chinesische Marken im Flottenmarkt?
Flottenkunden benötigen verlässliche Lieferzeiten, planbare Restwerte und Ersatzteilsicherheit – Kriterien, die viele Newcomer nicht erfüllen.
Was ist mit Restwerten neuer Automarken?
Restwerte sind schwer zu kalkulieren, besonders bei jungen Marken mit unklarer Zukunft – das schreckt Leasinganbieter und Fuhrparkmanager ab.
Gibt es Erfolgschancen für chinesische Automarken?
Ja, mit Geduld, starkem Vertrieb, Kapital und passenden Produkten sind langfristige Erfolge möglich – siehe Beispiel Tesla.