Bentley Blower Junior: Elektrisch mit maximalen Spassfaktor
Lesezeit 4 Min. Luxusautos sind oft nichts anderes als Spielzeuge für große Kinder – besonders der Bentley Blower Junior. Der elektrifizierte Nachbau einer Legende mag keinen praktischen Nutzen haben, dafür aber einen Spaßfaktor, der kaum zu übertreffen ist.
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SP-X/London. Von wegen Herrenfahrer! Wenn Bentley über eine Stammkundschaft spricht, dann ist meist von den so genannten „Bentley Boys“ die Rede. Denn es wahren ein paar ebenso verwegene wie versnobte junge Männer mit tiefen Taschen, die der Marke mit ein paar spektakulären Rennsiegen in den 1920ern jenen Ruhm eingefahren haben, vom dem die VW-Tochter noch heute zehrt. Rolls-Royce mag zwar luxuriöser sein und Aston Martin sportlicher, aber keine andere britische Marke bietet seit jenen Tagen so viel Dynamik im feinen Zwirn wie Bentley.
Bentley Blower Junior: Miniatur mit Akku-Antrieb
Kein Wunder, dass die Briten bis heute darauf rumreiten – und die Enkel der Bentley Boys jetzt mit einem ganz besonderen Spielzeug locken. Und das kann man diesmal sogar wörtlich nehmen. Denn während Continental, Flying Spur und Bentayga seriöse Luxusautos mit einen ernsthaften Transportauftrag sind, haben sie jetzt nur so zum Spass den Blower wieder aufgelegt. Und zwar nicht nur als originalgetreuen Nachbau, sondern auch als Miniatur und ihn dabei gleich noch mit einem Akku-Antrieb ausgestattet. So wird der Blower nach fast 100 Jahren als Junior nicht nur noch einmal zum Neuwagen, sondern nimmt auch die elektrische Revolution vorweg, die bei Bentley offiziell doch erst 2026 beginnen soll.
Spiritus Rector ist kein geringer als Ettore Bugatti
Die Idee dafür geht allerdings weder auf Firmengründer Walter Owen Bentley zurück noch auf den aktuellen Chef Frank-Steffen Walliser, selbst wenn der einst bei Porsche als Projektleiter des 918 Spyder durchaus elektrisierende Erfahrungen gemacht hat. Spiritus Rector ist kein geringer als Ettore Bugatti. Der hat schon in den 1930ern vom legendären Typ 35 eine elektrische Miniatur angefertigt, in der Anfangs nur sein Sohn über den Firmensitz in Molsheim surrte. Bis die ersten Kunden den Filius herumflitzen gesehen und nicht nur Bugattis Vatergefühle bestärkt, sondern auch seinen Geschäftssinn geweckt und ihm eine Kleinserienproduktion des Spielzeugwagens abgerungen haben.
Vormals Little Car Company
Daran hat sich ein findiger Brite namens Ben Hedley erinnert und diese Tradition erst mit Bugatti, dann mit Aston Martin und Ferrari und jetzt mit Bentley wieder aufleben lassen. Nur weil der Junior eine Nummer kleiner ist und von einer Firma gebaut wird, die bis vor kurzem noch Little Car Company geheißen hat, mangelt es ihm nicht Ernsthaftigkeit. Weil Hedley für den auf 80 Prozent geschrumpften Zweisitzer immerhin rund 100.000 Euro verlangt, hat er ihn wie ein echtes Auto entwickelt.
In mehreren Wochen in Handarbeit gefertigt
Das Design erfolgt in enger Abstimmung mit dem Hersteller des Originals, die Motoren werden mit unterschiedlichen Leistungsstufen für Mut und Möglichkeiten der jeweiligen Fahrer kalibriert, die Prototypen werden über 5.000 Kilometer getestet und die Produktion der aktuell rund 250 Autos im Jahr erfolgt über teils mehrere Wochen in Handarbeit. Genau wie in Molsheim, Maranello, Gaydon oder Crewe gleicht dabei kaum ein Auto aus der Backsteinhalle in Bichester dem anderen: Wie in den Manufakturen der Hersteller wird auch hier jedes Fahrzeug nach Kundenwunsch ausstaffiert und lackiert – oft genug in den Farben jenes Autos, das der Vater im Original in der Garage hat.
Bentley Blower Junior: Leichtkraftwagen mit Strassenzulassung
Während Ferrari Testarossa, Aston Martin DB5 und Bugatti Type35 alle noch eine Nummer kleiner sind und mangels Beleuchtung und Sicherheitsausstattung lediglich auf den Latifundien ihrer Eigentümer bewegt werden dürfen, hat Hedley den Blower nur auf 85 Prozent oder 3,69 Meter geschrumpft, hat Licht und Blinker installiert und sogar einen Sicherheitsgurt – und so wenn auch nur wie Opel Rocks oder Renault Twizzy als Leichtkraftwagen - eine Zulassung bekommen. Auch wenn die Firme neuerdings Hedley Studios heißt und am Blower ein Nummernschild prangt, bleibt der Junior damit zwar ein Spielzeug. Doch wird damit jetzt die Strasse zu seinem Spielplatz.
Und wo ließe sich damit besser spielen als in der Hauptstadt London. Erst recht, wenn die Rushhour mal rum ist, Big Ben die späten Stunden schlägt und Junior sich zwischen Mayfair, Knightsbridge oder Chelsea mal so richtig austoben kann.
Bentley Blower Junior: Maximal 72 km/h schnell
Nicht umsonst hat Hedley einen Industriemotor ins Chassis geschraubt, dem in drei Leistungsstufen bis zu 20 PS entlockt werden können. Und selbst wenn das nichts ist gegen den vom Kompressor („Blower“) unter infernalischem Getöse auf bis zu 240 PS getunten 4,4-Liter-Vierzylinder des Originals, der mit atemberaubenden 200 Sachen durch die Goldenen Dreißiger raste, fühlen sich maximal 72 km/h rasend schnell an, wenn man nachts um zwei mutterseelenalleine um den Buckingham Palace karriolt oder über die Tower Bridge bläst.
Reichweite rund 100 Kilometer
Und so eine Fahrt kann lange dauern, sehr lange sogar. Selbst nachts, wo die Straßen leer sind, das Tempo schnell mal etwas höher ist und die Bobbys wichtigeres zu tun haben, als ein paar Jungs das Spielen zu verderben, reicht die Energie des Autos länger als die des Fahrers. Schließlich steckt im Boden ein Akku mit 11 kWh, der für fast 100 Kilometer reichen soll. Und wenn knapp wird, kann der Junior sogar an den Schnellader.
Der Bentley Blower Junior ist weder ein echter Oldtimer noch ein typisches Elektroauto
Da parkt er jetzt aber nur fürs Foto, während der Fahrer tatsächlich fertig ist und es kaum erwarten kann, bis die Pubs zur „First Order“ öffnen. Nein, natürlich nicht für ein Pint, sondern für einen Pott vom early Earl Grey. Während der Tee zieht und draußen vor dem Fenster über dem Blower Junior die Sonne aufgeht, bleibt Zeit zum Sinnieren und für ein erstes Resümee, das ziemlich eindeutig ausfällt: Natürlich ist dieser Blower weder ein echter Oldtimer noch ein typisches Elektroauto. Doch er vereint das Beste aus zwei Welten. Denn noch nie war ein Vorkriegsregister so leicht zu fahren wie dieses und selten hat ein E-Mobil so viel Spaß gemacht. Und ganz nebenbei ist der Junior auch noch der billigste Bentley, den man derzeit als Neuwagen kaufen kann.
Den ersten echten Elektro-Bentley gibts 2026
Vielleicht sollten wir auf die nächste Spritztour mal Matthias Rabe mitnehmen, den Entwicklungsvorstand der Marke, der gerade am ersten echten Elektro-Bentley arbeitet und uns für 2026 ein Stadtgeländewagen unter Strom versprochen hat. Denn ein bisschen Junior-Spirit würde diesem Auto nicht schaden, selbst wenn der kein Spielzeug wird und sich in London auch am Tag behaupten muss. Genug Strom für die Testfahrt wäre noch in den Akkus, Herr Rabe!
Dieser Beitrag stammt von Benjamin Bessinger, Redakteur für das Redaktionsbüro SPS Spotpress Services GmbH.