40 Jahre Renault Espace
Lesezeit 6 Min. Kreativität ist sein Erfolgsgeheimnis: Vor 40 Jahren debütierte der Renault Espace als erster europäischer Familienvan im One-Box-Design – und initiierte so eine Van-Mania, der vorübergehend viele Wettbewerber mit eigenen Raumlimousinen folgten. Allein der Renault Espace aber hat sich bis heute immer wieder neu erfunden, aktuell sogar als SUV.
SP-X/Köln. Die kühne Kreativität französischer Autobauer ist legendär, doch der Renault Espace verwirrte vor 40 Jahren sogar die Fachwelt. War dieser futuristisch designte Fünftürer mit variablem Interieur ein Kleinbus, Kombi oder doch eine Limousine? Auch die Autokäufer konnten den neuen „Großraum-Pkw“, wie Renault sein erstes Modell im One-Box-Design anfangs nannte (also ohne optische Trennung von Passagier-, Gepäck- und Motorraum), zunächst nicht einordnen: Nur neun Bestellungen gingen im ersten Monat ein, knapp 6.000 Einheiten wurden bis Ende 1984 verkauft.
Der Höhenflug beginnt
Aber allmählich hob der Espace doch zu einem Höhenflug ab, denn dieser Avantgardist antizipierte das, was die Gesellschaft nun verlangte. Raum und Zeit waren seit den 1970ern der wahre Luxus geworden in einer Welt, die scheinbar fortwährend schneller rotierte und dies in Speedsymbolen wie dem Überschalljet Concorde und dem französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV spiegelte, während Wohnraum kostspielig und knapp wurde. Eine Entwicklung, die japanische und amerikanische Autobauer schon Ende der 1970er zu bezahlbaren Vans im Kastenwagenlook inspirierte.
Space-Shuttle-Design
Aber erst der Renault Espace brach mit allen Konventionen und kombinierte eine Karosserie im Space-Shuttle-Design mit großzügigen Glasflächen und viel Raum für bis zu sieben Passagiere. Nicht zu vergessen die leistungsstarken Antriebe, schließlich übernahm der Espace eine Flaggschiffrolle im Renault-Programm. Als komfortables Raumfahrzeug für Reisen überlebte er fast alle Van-Konkurrenten, künftig trägt er allerdings das Outfit eines konventionellen SUV.
Matra-Chefkonstrukteur Philippe Guédon
Eine solche Transformation hätten sich die Väter des ersten Espace wohl nicht träumen lassen. In Serienform gebracht wurde der spacige Espace – der Name steht übrigens für Raum, aber auch Weltraum – zwar 1983 bei Renault, das aber in Kooperation mit dem Autobauer und Technologiekonzern Matra. Die Idee zum Raumkreuzer hatte Matra-Chefkonstrukteur Philippe Guédon fünf Jahre früher aus den USA mitgebracht, dort hatte sich der Familienvater und aktive Freizeitsportler von vielseitig nutzbaren Kastenwagen im XXL-Format inspirieren lassen.
One-Box-Konzept
Zusammen mit Stardesigner Antoine Volanis entwickelte Guédon nun ein One-Box-Konzept mit Platz für sieben Passagiere auf nur 4,25 Meter Länge, ein komfortables Pkw-Fahrwerk inklusive. Eigentlich sollte dieser Prototyp eines Tages den Crossover-Pionier Matra Rancho ersetzen, aber dazu kam es nicht mehr, denn Matra kooperierte Anfang der 1980er mit dem damals finanziell maladen Peugeot Citroen PSA Konzern. Und Peugeot scheute das Risiko einer neuartigen Großraumlimousine.
Ein Auto für die Freizeitgesellschaft
Stattdessen wurde Matra mit Renault handelseinig, schließlich hatte der Staatskonzern schon spannende Experimente wie den Renault 4 als ersten Kleinwagen mit Kombiheck und variablem Innenraum in Millionenauflage gebracht. Mit dem Espace präsentierten Renault und Matra – dort wurde der Van in drei Generationen produziert – ein Auto, das der Freizeitgesellschaft des späten 20. Jahrhunderts Platz für Fahrräder, Surfboards, Campingkits oder Golfbags gab. Hinzu kamen bequeme Einzelsitze, die sich im Espace in beispielloser Vielfalt im Innenraum konfigurieren ließen und den Franzosen in ein mobiles Wohnzimmer oder Büro verwandelten.
Clevere Komfortdetails
Nicht zu reden von cleveren Komfortdetails wie neuartiger Infrarot-Zentralverriegelung, Klapptischen an Sitzlehnen, Leselampen, zwei Panorama-Sonnendächern und optionaler Klimaanlage – damals nicht einmal in Luxuslimousinen Standard. An Limousinen erinnerten auch die Fahreigenschaften des Espace, wie Fachmedien freudig überrascht feststellten. Allerdings hatte Renault Wert daraufgelegt, dass schon der erste Espace über eine aufwendige Fahrwerkskonstruktion verfügte, denn dieser Van sollte sich klar von VW Bulli & Co. differenzieren und eine Flaggschiffrolle ausfüllen.
Großraumlimousine mit Luxusambitionen
Unter der kurzen Motorhaube des Espace arbeiteten anfangs die aus Renault 25 oder Fuego bekannten Vierzylinder-Benziner und -Diesel, ab 1988 auch in Kombination mit Allradantrieb. Nun kam die lichtdurchflutete Großraumlimousine mit Luxusambitionen – inklusive Connolly-Leder in Rolls-Royce-Qualität – so richtig in Fahrt. Im März 1989 lieferte Matra den 100.000sten Espace aus, sieben Jahre später erreichte der Van in mittlerweile zweiter Generation (1991-1998) eine Gesamtauflage von einer halben Million, und die Jahresproduktion stabilisierte sich bei 70.000 Einheiten.
Der Renault Espace entfachte den Van-Hype
Ein stolzer Wert, musste sich der Espace doch bald gegen eine Flut an Wettbewerbern durchsetzen. Ob VW, Ford, Seat, Peugeot, Fiat oder Citroen, zur Jahrtausendwende verweigerte sich kaum ein Volumenhersteller dem vom Espace entfachten Van-Hype. Aber der Espace blieb Maßstab und Messlatte für manchmal verrückte, immer jedoch inspirierende Ideen.
Espace F mit 300 km/h
So feierte Renault die 1994 gewonnene Formel-1-Weltmeisterschaft mit dem rund 300 km/h schnellen Espace F1: Eine Fahrmaschine, die auf dem Chassis des Williams-FW14-Grand-Boliden aufbaute und deren 596 kW/810 PS freisetzender Zehnzylinder bei jedem Tritt aufs Gaspedal einen infernalischen Sound entfaltete, gegen den eine startende Concorde fast wie ein Kätzchen schnurrte. Mehr Show- als Sporttalent bewies der 1998 von Franco Sbarro couturierte Espace Spider mit V6-Motor: Ein offener Van mit Windabweisern im Stil des zweisitzigen Spider Renault Sport, der zum 24-Stunden-Rennen von Le Mans debütierte. Auch in ziviler Ausführung dominierte der mittlerweile dritte Espace (1996-2002) weiter das Segment der Großraumlimousinen. Dazu trug der zusätzlich lancierte Grand Espace bei, ein 27 Zentimeter längerer Siebensitzer.
Interieur mit Loungekomfort
Die französische Vision von Oberklasse verkörperte dagegen der vierte Espace (2002-2014), der erstmals bei Renault produziert wurde, dies mit dem Ziel, den Raumgleiter in Richtung Produktionsmillionär zu beschleunigen. Ausdrucksstarkes Design mit penibel geformten Kanten und ein Interieur mit Loungekomfort: So sah für Renault die Zukunft im automobilen Oberhaus aus. Tatsächlich hielt der Espace Einzug in die Fuhrparks von Politik und Prominenz, konnte er doch Stil mit innerer Größe überzeugender verbinden als etwa das Van-Coupé Renault Avantime oder der glücklose Renault Vel Satis. Zwölf Jahre lang fuhr dieser Espace auf Erfolgskurs, während fast alle Wettbewerber Platz machten für die inzwischen angesagten SUV.
Der Espace V blieb eher ein seltener Anblick
Beim Pariser Automobilsalon 2014 beugte sich auch Renault dem Zug der Zeit: Als distinguierter, siebensitziger Crossover versuchte der fünfte Espace dort zu reüssieren, wo viele europäische Premiumhersteller bereits waren. Auf einigen Vorstandsparkplätzen in Paris und bei manch gutverdienender französischer Familien gelang dies auch. Aber im restlichen Europa blieb der Espace V ein seltener Anblick. Im Jahr des 40. Geburtstags seiner Markenikone will es Renault deshalb mit einem neuen Espace wissen, der erstmals konventionelle SUV-Konturen trägt. Immerhin: Die traditionellen Qualitäten Komfort und Großzügigkeit sollen auch den sechsten Espace auszeichnen.
Modellhistorie Renault Espace:
1974: Abgeleitet von einem Transporter führt der Chrysler-Konzern den ersten Voyager ein
1977: Nissan präsentiert auf Basis eines Nutzfahrzeugs das Van-Concept Homy
1978: Philippe Guédon, technischer Leiter des Automobilherstellers und Technologiekonzerns Matra, begeistert sich für die amerikanischen und japanischen Ideen des Van-Konzepts. Guédon beauftragt den Matra-Chefdesigner Antoine Volanis mit dem Entwurf eines solchen Fahrzeugs, um das Matra-Programm auszubauen. Matra produziert damals den Rancho (Crossover-Modell auf Basis des Simca 1100) und den dreisitzigen Sportwagen Bagheera
1979: Im März präsentiert Volanis das erste Concept Car einer Großraumlimousine, mit nur einer Tür auf der Fahrerseite. Im Juni entsteht das Concept P16, nun mit vier Türen und Heckklappe. Als seriennahe Studien debütieren der Mitsubishi Space Wagon und der Toyota Family Wagon, aus dem die Exportversionen Model F bzw. Space Cruiser hervorgehen
1981: Nach einer Studie mit dem Code P17 in kompaktem Format präsentiert Matra im April den fahrfähigen Entwurf P18, jetzt mit 1,6-Liter-Benziner. Weder Matra-Kooperationspartner Peugeot noch Citroen sind an einer Serienversion interessiert
1982: Renault-Chef Bernard Hanon begeistert sich für die Matra-Studie und kombiniert diese mit der Technik aus den Renault Modellen 18, 25 und Fuego. Der Nissan Prairie wird in Japan vorgestellt und eingeführt. Internationaler Vertriebsstart für den Mitsubishi Space Wagon
1983: Im Juni unterzeichnen Renault und Matra einen Kooperationsvertrag, wonach die Produktion des neuen Modells bei Matra erfolgt. Verkaufsstart für den Plymouth (Chrysler) Voyager. Im November enthüllt Renault gegenüber den Medien die Details zum neuen Espace
1984: Im Mai präsentiert Renault den Espace als neuen „Großraum-Pkw von Renault und Matra“. Die Vorserienproduktion startete bereits im März, allerdings kann Renault in diesem ersten Jahr nur 5.745 Espace verkaufen. Marktstart ist in Frankreich im Juli als Espace 2000 GTS und 2000 TSE mit 81 kW/110 PS starkem 2,0-Liter-Vergaser-Benziner. Im Dezember folgen Espace Turbo D und Turbo DX mit 65 kW/88 PS leistendem Diesel-Vierzylinder. Ende des Jahres Markteinführung auf allen wichtigen europäischen Märkten
1985: Die Jahresproduktion des Espace steigt auf 14.160 Einheiten
1986: Im Juli erhält der erste Espace ein Facelift inklusive eines neuen Getriebes aus dem Renault 25 und 2,2-Liter-Benziner mit Einspritzung. Die Jahresproduktion des Espace steigt auf 19.398 Einheiten
1987: Im Juni erreicht der Espace die Gesamtstückzahl von 50.000 Einheiten. Die Renault-Tochter Alpine soll in Dieppe ebenfalls den Espace fertigen
1988: In diesem Jahr werden erstmals mehr als 30.000 Espace (exakt 31.693) verkauft. Erstes umfassendes Facelift mit neuer Frontgestaltung, größeren Heckleuchten und neuer Heckklappe. Wahlweise gibt es den Espace nun auch mit Allradantrieb und geregeltem Drei-Wege-Katalysator. Ab Dezember steht optional ABS zur Verfügung
1989: Im März läuft der 100.000ste Espace vom Band und der Jahresausstoß steigt auf 44.024 Einheiten
1990: Sonderserie mit Connolly-Lederausstattung. Ab April ist eine Niveauregulierung für die Hinterachse verfügbar. Als Studie stellt Matra den 230 km/h schnellen Espace Biturbo Quadra vor, dies mit dem 270 PS starken Motor aus dem Safrane Biturbo
1991: Nach 191.674 Exemplaren läuft im Februar ein völlig neuer, zweiter Espace an. Der erste Generationenwechsel
1992: Erstmals werden mehr als 65.000 Espace in einem Jahr gebaut
1994: Anlässlich des zehnjährigen Produktionsjubiläums des Espace präsentiert Renault den Prototyp Espace F1 mit 810 PS starkem Renault-F1-Triebwerk zur Feier der dritten in Folge gewonnenen Formel-1-Konstrukteurs-Weltmeisterschaft. Von 0 auf 200 km/h sprintet der Espace F1 in 6,3 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei knapp 300 km/h
1996: Im Juli rollt der 500.000ste Espace vom Band, aber die Jahresproduktion fällt auf 34.203 Einheiten. Die dritte Espace-Generation wird im Dezember vorgestellt und 1997 mit 2,0-Liter-Vierzylinder- und V6-Benzinern sowie mit Vierzylinder-Dieselmotoren im Markt eingeführt. Die Karosseriestruktur des Espace III besteht erneut aus einem feuerverzinkten Stahlrahmen, auf den die aus dem Verbundwerkstoff S.M.C. („Sheet Molding Compound“) gefertigte Außenhaut aufgeklebt wird. Die Produktion des Espace erfolgt wie bisher bei Matra
1998: Mit längeren Außenabmessungen (4,79 Meter) wird der Grand Espace eingeführt, der Espace misst 4,52 Meter. In Malaysia wird der dritte Espace als nahezu baugleicher Enviro 2000 in Produktion genommen, und in China bei SRAC startet die Produktion des Sanjiang Espace. Im Rahmen des 24-Stunden-Rennens von Le Mans debütiert das von Franco Sbarro realisierte Showcar Espace Spider mit zwei Überrollbügeln und flachem Windabweiser sowie 194 PS starkem V6-Benziner
1999: Der Jahresausstoß übersteigt die 70.000-Marke
2000: Modellpflege für die dritte Espace-Generation
2001: Matra und MG Rover verhandeln über eine Rover-Variante des Espace, letztlich aber scheitern die Verhandlungen
2002: Im September endet die Fertigung des dritten Espace nach 357.120 Einheiten. Die vierte Espace-Generation steht auf derselben Plattform wie die Modelle Renault Laguna II und Renault Vel Satis, die Designsprache des Espace orientiert sich am Oberklassemodell Vel Satis und dem einzigen Van-Coupé Avantime. Die Espace-Produktion wird von Matra zu Renault ins Werk Sandouville verlagert, dies nach bisher insgesamt 865.213 Espace. Der Espace IV wird in zwei Formaten angeboten, als 4,66 Meter langer Espace (Radstand 2,80 Meter) und als 4,86 Meter langer Grand Espace (Radstand 2,87 Meter). Die Motorenpalette umfasst 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner, 3,5-Liter-V6-Benziner 1,9-Liter-Diesel, 2,2-Liter-Diesel und später weitere Selbstzünder. Der Marktstart des Espace IV erfolgt im November
2006: Einführung des facegelifteten Espace (Phase II) mit neuen 2,0-Liter- und 3,0-Liter- dCi-Selbstzündern
2010: Erneute Modellpflege für den Espace (Phase III) mit LED-Scheinwerfern und aufgewerteter Ausstattung
2013: Vorbote einer neuen Espace-Generation ist das seriennahe Concept Car Initiale Paris, das im September auf der IAA in Frankfurt vorgestellt wird
2014: Passend zum 30. Geburtstag feiert im September eine neue Espace-Generation ihr Debüt auf dem Pariser Automobilsalon, dies als Crossover auf der Architektur der Renault-Nissan Common Module Family (CMF) und mit Benzinern und Dieselmotoren
2015: Der fünfte Espace (Länge 4,88 Meter, Radstand 2,88 Meter) wird nur noch auf Linkslenker-Märkten verkauft, ebenso wie der Talisman. Das Motorenprogramm des Espace umfasst zunächst 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner mit bis 147 kW/200 PS Leistung und 2,0-Liter-Diesel
2017: Neu ist ein 1,8-Liter-Benziner mit 165 kW/225 PS
2018: Neue 2,0-Liter-dCi-Diesel mit bis zu 147 kW/200 PS Leistung
2020: Im Sommer erhält der Espace eine Modellpflege, im Oktober entfallen die Benzin-Motoren aus dem Angebot
2022: Im letzten Produktionsjahr wird der fünfte Espace nur noch als Blue dCi 190 EDC mit 2,0-Liter-Selbstzünder verkauft
2023: Am 28. März wurde die sechste Espace-Generation vorgestellt, diesmal als SUV, technisch verwandt mit dem Renault Austral. Renault Austral und Espace teilen sich die Plattform mit den Konzern-Allianzpartnern Nissan (Qashqai und X-Trail) sowie Mitsubishi (Outlander). Zugleich feiert Renault den 40. Geburtstag der Espace-Baureihe